Samuel Weller ist Fußball-Freestyler und tritt als Showact bei den European Championships auf. Am Samstag und Sonntag ist Samuel bei den Beachvolleyball-Finals. Dort wird er seine spektakulären Tricks mit dem Fußball zeigen. Neben seinen Auftritten studiert der 22-Jährige Sportwissenschaften an der TU München und spielt Volleyball in der 2. Liga beim ASV Dachau. Er nahm in den vergangenen Jahren an zahlreichen nationalen sowie internationalen Wettbewerben teil. Zuletzt gewann er die Deutsche Freestyle Meisterschaft 2022. Wir haben ihn getroffen.
Samuel, Du spielst hochklassig Volleyball und bist Freestyler. Zusätzlich studierst Du. Wie bringst Du das alles unter einen Hut?
Samuel Weller: „Das ist schon relativ stressig. Früher habe ich definitiv den Fokus auf Freestyle gelegt und dafür dann täglich zwei Stunden trainiert. Inzwischen ist das Freestyle-Training nicht mehr so intensiv, nur zwei- bis dreimal die Woche. Dafür kommen jetzt mehr Shows dazu, die ich mittlerweile am Wochenende mache. Die Volleyballsaison geht dann erst im Oktober los, deswegen habe ich im Sommer viel Zeit, um an den Wochenenden die Shows zu machen. Jetzt fängt dann aber die Volleyball-Vorbereitung wieder an, das heißt viermal die Woche Volleyball-Training und dann eben noch ein bisschen was mit dem Fußball. Beim Freestyle liegt der Fokus aber jetzt eher darauf, mein Level zu halten, als das noch mega auszubauen. Früher habe ich viele internationale Wettbewerbe mitgemacht, aber aktuell mache ich mal nur die Deutsche Meisterschaft und fokussiere mich dann eher auf Shows.“
Hast Du Freestyle im Verein gelernt oder Dir das alles selbst beigebracht?
Samuel Weller: „Das habe ich mir alles selbst beigebracht. Ich habe früher mal Videos gesehen von den ersten Freestylern, die das unabhängig vom Fußball gemacht haben. Denn Freestyle hat eigentlich heutzutage gar nichts mehr mit Fußball zu tun. Es ist eine ganz eigene Sportart geworden mit Einflüssen aus dem Turnen oder Breakdance zum Beispiel. Dann habe ich das selbst ausprobiert und bin irgendwie dran hängen geblieben. Vier bis fünf Jahre habe ich das als meine Hauptsportart gemacht und jetzt zusätzlich noch Volleyball.“
Hast Du davor schon Fußball gespielt?
Samuel Weller: „Ich habe im Alter von zehn angefangen und bis 15, 16 Jahre Fußball gespielt. Dann habe ich aufgehört, weil ich mit 13 Jahren mit Freestyle angefangen habe. Irgendwann wurden die zwei Sportarten parallel einfach zu viel, dann musste ich mich entscheiden. Dadurch, dass es einfach sowas Besonderes war und Vorteile zum klassischen Fußball hat, habe ich mich für Freestyle entschieden. Im Gegenzug habe ich dann aber mit 16, 17 Jahren mit Volleyball angefangen, weil ich Teamsport liebe und über Freunde irgendwie dazu gekommen bin.“
Was fasziniert Dich am Freestyle?
Samuel Weller: „Einfach die Challenge und Herausforderung mit sich selbst. Dadurch, dass es eine Individualsportart ist, kann man alles selbst beeinflussen. Du kannst trainieren, so viel du möchtest, und bist somit für Erfolg oder Niederlage selbst verantwortlich. Es ist einfach ein ständiges Streben nach Verbesserung und besserer Ballkontrolle. Das Ganze erfordert aber auch viel Eigenmotivation und Eigendisziplin, weil man alles selbst organisieren muss, sowohl die Trainings als auch Wettkämpfe, Auftritte und so weiter.“
Was sind Deine Top-3-Events, bei denen Du bisher dabei warst?
Samuel Weller: „Jetzt ist ja erst ungefähr Halbzeit der European Championships, aber dadurch, dass das in München ist, wo ich aufgewachsen bin, ist das auf jeden Fall schon unter den Top 3. Als Zweites war in Hamburg letztes Jahr ‚King of the Court‘ im Beachvolleyball. Es konnten durch die Pandemie zwar nicht so viele Zuschauer dabei sein, aber das war trotzdem sehr cool. Außerdem gehört die UEFA EURO 2020 in München, bei welcher ich aufgetreten bin, auf jeden Fall auch dazu.“
Wie war die EURO 2020 insgesamt für Dich? Hast Du Personen getroffen, zu denen du schon immer aufgeschaut hast?
Samuel Weller: „Ja, auf jeden Fall. Wir haben mit Phillip Lahm zusammengearbeitet, der Botschafter und Organisator der EM war. Das war sehr nett, weil er uns sehr weitergeholfen und uns gefördert hat. Bei den Spielen sind wir nur in Lounges aufgetreten, weil wegen der Pandemie noch niemand auf den Rasen durfte. Es waren halt ‚nur‘ 10.000 oder 14.000 Zuschauer, aber in den Lounges war es relativ cool, weil man sehr viele Leute gesehen und getroffen hat, die man sonst nur aus dem Fernsehen oder der Zeitung kennt. Zum Beispiel Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge, einige Spieler des FC Bayern oder Politiker wie Markus Söder und Joachim Herrmann.“
Hast Du Vorbilder im Freestyle?
Samuel Weller: „Den Norweger Erlend Fagerli, der auch letzte Woche wieder Weltmeister geworden ist. Er treibt den Sport sehr weit voran. Das ist auch das Coole am Freestyle: Es entwickelt sich immer weiter. Das ist nicht wie bei den klassischen Sportarten, die schon ein hohes Limit erreicht haben. Davon abgesehen gab es in Deutschland früher ein paar Freestyler, die mittlerweile nicht mehr aktiv sind, die den Sport auch sehr weit vorangetrieben haben.“
Kannst Du Dir vorstellen, dass Freestyle auch mal im Rahmen von einem Event wie den European Championships eine Chance hat oder liegt das noch in weiter Zukunft?
Samuel Weller: „Das liegt, glaube ich, noch in weiter Zukunft. Das ist einfach dem geschuldet, dass wir noch zu wenige sind. Es gibt vielleicht 5.000 bis 10.000 Freestyler weltweit, die das wirklich aktiv machen und in Deutschland nur circa 100 bis 200. Die Sportart entwickelt sich aber immer weiter. In Wettbewerben gibt es immer eine Jury. Früher war diese aber noch sehr subjektiv, sie hat einfach nur auf rechts oder links gezeigt, je nachdem, wer für sie persönlich besser war. Heute gibt es Kategorien wie Style, Control, Excecution und Difficulty, anhand derer die Performance bewertet wird. Trotzdem ist hier noch ein bisschen Entwicklung nötig, um die Bewertung noch transparenter zu machen - auch für die Zuschauer, die nicht alle Tricks kennen. Deswegen denke ich, dass es wahrscheinlich nicht olympisch wird, aber ich versuche, Freestyle in Deutschland immer weiter zu verbreiten.“
Seid Ihr untereinander als Freestyle-Community vernetzt?
Samuel Weller: „Ja, absolut. Vor allem durch Instagram ist man eigentlich in ganz Europa vernetzt, auch in Deutschland. Auf den ganzen internationalen Wettbewerben lernt man sich kennen und dann sieht man sich circa zwei- bis dreimal im Jahr auf den großen Events. Ich hatte wahrscheinlich schon zehn bis 15 Freestyler bei mir in München, die zum Beispiel auf der Durchreise waren oder sich die Stadt anschauen wollten. So habe ich natürlich auch die Möglichkeit, wenn ich mal auf Reisen bin, Bekannte aus dem Freestyle um eine Schlafmöglichkeit zu bitten. Wir sind da alle sehr offen und hilfsbereit, weil wir einfach so wenige sind und das verbindet dann stark.“
Wie ist es dazu gekommen, dass Du bei den European Championships die Freestyler vertrittst?
Samuel Weller: „Zum einen durch meinen Sponsor Powerbar, der auch Sponsor des Events ist. Zum anderen sitzen teilweise die gleichen Personen im Management wie auch bei dem Beachvolleyball-Event vom letzten Jahr, bei dem ich dabei war und sie hatten die Idee, dass ich wieder dabei sein könnte. Ich bin jetzt sehr glücklich, dass ich am Samstag und Sonntag vor den Finalspielen vor großer und wahrscheinlich voller Bühne auftreten kann.“
Bist Du nervös vor einem Auftritt mit so vielen Zuschauern?
Samuel Weller: „Man ist dann schon aufgeregt, vor allem wenn man die Leute hört. Ich finde aber, dass ein bisschen Nervosität hilft, um eine Top-Leistung abzurufen. Inzwischen habe ich aber auch schon viel Erfahrung sammeln können, dass ich auch damit ganz gut umgehen kann. Das beste Training ist sowieso einfach, in der Innenstadt auf die Straße zu gehen und dort als Straßenkünstler aufzutreten. Da hat man immer irgendein Publikum, das einen nicht kennt und man muss dann zeigen, was man kann. Das habe ich auch längere Zeit immer mal wieder am Wochenende gemacht. Dabei habe ich gelernt, wie man mit dem Druck umgeht.“
Denkst Du, dass Du im Stadion dann etwas von der Atmosphäre mitbekommst oder bist Du komplett fokussiert?
Samuel Weller: „Ich bin schon im Fokus, aber ich bekomme auch relativ viel mit. Also das ist nicht so, dass ich da im Tunnel bin und gar nichts mehr mitbekomme, sondern ich versuche, das auch ein bisschen aufzusaugen. Viele Tricks sind auch mit der Musik abgestimmt, deswegen muss man schon ein bisschen auf die Musik achten und dann interagiert man natürlich auch mit dem Publikum. Deswegen finde ich, dass man nicht nur performen, sondern das Publikum auch entertainen muss.“
Wird Dein Auftritt dann eigentlich auch im Fernsehen übertragen?
Samuel Weller: „Da bin ich mir nicht sicher, also ich könnte es mir vorstellen. Ich bin kurz vor dem Spiel um den dritten Platz dran. Es gibt noch ein bis zwei andere Acts, deswegen weiß ich nicht, was sie davon genau zeigen. Vielleicht zeigen sie einen kleinen Ausschnitt."
Die European Championships vereinen neun verschieden Sportarten unter einem Dach. Wie bewertest Du dieses Multisportevent?
Samuel Weller: „Ich finde es mega, weil ich eben nicht nur Volleyballer und Freestyler bin, sondern auch sehr offen gegenüber anderen Sportarten. Ich schaue mir zum Beispiel auch sehr gerne Turnen an, da ich hier auch viele Elemente in meinen Freestyle übernommen habe - Handstände zum Bespiel. Das fasziniert mich sehr und ist auch eine Inspiration für mich. Ich bin sehr breit aufgestellt, was Sportarten angeht, die mich interessieren und deswegen finde ich es toll, dass man an einem einzigen Tag erst zur Leichtathletik, dann zum Beachvolleyball gehen und sich dann noch Triathlon anschauen kann. Deswegen hoffe ich, dass es auch zu einer Bewerbung für die Olympischen Spiele kommen wird.“
Was ist Dein Lieblingsskill und was war der Schwierigste, den Du bisher gelernt hast?
Samuel Weller: „Also meine Lieblingstricks sind auf jeden Fall Sole-Tricks. Das sind die ganzen Tricks, bei denen ich auf dem Boden bin und den Ball auf der Sohle balanciere. Davon gibt es viele Variationen. Mit dieser Art von Tricks habe ich schon vor fünf bis sechs Jahren angefangen und da auch schon viele eigene Tricks erfunden. Damit konnte ich das Niveau auch weltweit ein bisschen anheben. Heutzutage gibt es natürlich schon wieder Einige, die das noch viel schwieriger und ausgefeilter machen, aber damals war ich da einer der Besten. Der schwierigste Trick ist eine Transition, bei der man von einer Position in die nächste wechselt. Dabei klemme ich den Ball auf dem Fuß ein, werfe ihn hoch und fange ihn dann im Handstand, wo ich den Ball auf der Sohle balanciere. Das war auf jeden Fall der Schwierigste zum Erlernen.“
Auf welchen Meisterschaften warst Du bis jetzt immer dabei?
Samuel Weller: „Letztes Jahr gab es eine Deutsche Meisterschaft im Online-Format und die habe ich gewonnen. Die Jahre davor, 2018 und 2019, gab es auch Deutsche Meisterschaften. Dort habe ich den zweiten und dritten Platz geholt.“
Geht es nach der Deutschen Meisterschaft noch international weiter?
Samuel Weller: „Es gibt Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und es gibt vor allem den SuperBall. Dieser Wettbewerb war letzte Woche. Das ist eine offene Weltmeisterschaft in Prag, an der jeder mitmachen kann. Da bin ich 2018 auch unter die Top 50 gekommen. Sonst habe ich an Deutschen Meisterschaften, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften überall schon teilgenommen. Viele davon sind offen und bei anderen qualifiziert man sich für die nächste Runde. Letztes Jahr habe ich es dann leider nicht in die Top 16 weltweit geschafft.“
Interview: Lina Lässer & Michelle Brey
Foto: Michelle Brey