Es war die politischste Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten. Das Turnier, erstmals ausgetragen im Wüstenstaat Katar, war für die deutsche Nationalmannschaft ein Fiasko – aufgrund des sportlichen Abschneidens und einer besonderen Geste. Prof. Dr. Michael Schaffrath, Leiter des Arbeitsbereichs für Medien und Kommunikation, blickt im Interview bei der Sächsischen Zeitung auf die WM sowie die Berichterstattung in den deutschen Medien zurück.
Die „Hand-vor-den-Mund-Geste“ der deutschen Nationalmannschaft zählt zu den Bildern des Jahres. Doch nicht nur hierin sieht Prof. Schaffrath einen hilflosen Versuch, um auf die Missstände in dem Wüstenstaat aufmerksam zu machen. Seit der Endrunden-Vergabe vor zwölf Jahren sei in den Medien, bis auf wenige Ausnahmen, relativ wenig über die Situation in dem Emirat berichtet worden.
Dies liege auch an der FIFA. Schaffrath sieht das kurzfristige Einknicken der deutschen Mannschaft und sieben weiteren Nationen in Bezug auf die „One-Love-Binde“ vor dem Weltverband als „problematisch“ an und missbilligt die Haltung der Länderauswahlen: „Hätte die FIFA tatsächlich die Top-Nationalteams acht europäischer Staaten mit gelben Karten oder Punktabzug belegt? Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.“
Der Medienexperte kritisiert zudem die Vergabe an Länder, in denen Menschenrechte nicht eingehalten werden und mahnt an, dass eine positive Entwicklung der Situation vor Ort nicht durch ein Großevent wie die Weltmeisterschaft eintreten werde. „Glaubt jemand ernsthaft, nach dieser Fußball-WM wird sich in Katar in Sachen Menschenrechte irgendetwas zum Besseren wandeln?“, fragt der habilitierte Kommunikationswissenschaftler. Es gehe auch im Fußball ausschließlich noch um „Geld, Kommerzialisierung und Profitmaximierung. Das Kulturgut Spitzensport ist fast nur noch eine Wirtschaftsware".
Die Kontroverse gelte auch für den Sportjournalismus: „Man steht vor dem Dilemma, extrem teure Übertragungsrechte kaufen zu müssen, und sich dann zu scheuen, das teure Produkt auch mal zu kritisieren.“ Dabei spiele auch die spezielle „Duz-Mentalität“ im Sport und insbesondere im Fußball eine große Rolle, die der frühere SZ-Investigativ-Journalist Hans Leyendecker mal als klebrige Nähe bezeichnet hat.
Für Schaffrath sind Sportjournalisten „keine Fans mit Mikrofon. Und wenn sie zum Fan mit Mikrofon mutieren, erfüllen sie nicht mal ansatzweise ihre normativen Funktionen und werden irgendwann von Sportlern dann auch nicht mehr in ihrer journalistischen Rolle ernst genommen".
Die Problematik liege aber auch im Fußball-Kosmos selbst: „Der Einfluss der Verbände, der Medien, der Direktoren und Manager auf die Ich-AGs der Fußballprofis wird immer begrenzter. Durch die völlig absurden Gehälter, die Spieler kassieren, ist bei etlichen die Bodenhaftung gesunken und die Beratungsresistenz gestiegen“, konstatiert der Leiter des Arbeitsbereichs für Medien und Kommunikation im Interview mit der Sächsischen Zeitung.
Zum Online-Beitrag des Interviews in der Sächsischen Zeitung
Text: Bastian Daneyko
Fotos: Sächsische Zeitung & Privat