Eine besondere Art der Pflege braucht eine spezielle Art der Gesundheitsförderung. Dies vermittelt Dr. Doris Gebhard, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik, den anwesenden ambulanten Pflegekräften im Rahmen der Roadshow zum Thema „Gesund arbeiten in der Pflege", die am 26. Juni 2023 in München tagte. Organisiert wird die Veranstaltung vom Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, dem Verband der Ersatzkasse e.V. (vdek) und dem Bayerischen Landesamt für Pflege (LfP).
Derzeit leben rund fünf Millionen pflegebedürftige Menschen in der Bundesrepublik – viele von ihnen wollen so lange wie möglich in ihrem eigenen Wohnumfeld verbleiben, doch es mangelt an qualifiziertem Personal, das dies in guter Betreuungs- und Pflegequalität ermöglicht. Um aktuell und zukünftig ausreichend Pflegepersonal für den ambulanten Pflegesektor gewinnen und bei guter Gesundheit bis zur Rente halten zu können, ist Gesundheitsförderung eine vielversprechende Maßnahme.
Das Projekt EMMA, kurz für „Evidenzbasierte Maßnahmenentwicklung des BGM/BGF als Modellprojekt für Ambulante Pflegedienste“, der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik in Kooperation mit dem vdek befasst sich mit der Gesundheitsförderung und Prävention für Mitarbeitende in der ambulanten Pflege, die bislang eine vernachlässigte Zielgruppe darstellen. „Die pflegerischen Tätigkeiten von ambulanten Pflegekräften ähneln jenen aus anderen Langzeitpflegebereichen im hohen Maße, jedoch werden diese in einem gänzlich anderen Rahmen erbracht. Diese Spezifika in der Arbeitsorganisation und -umgebung führen zu einer schlechteren mentalen und körperlichen Gesundheit im Vergleich zu anderen Pflegebereichen. Dem gilt es aktiv und gezielt durch Maßnahmen entgegenzuwirken“, erläutert Prof. Dr. Filip Mess, Leiter der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik.
Mit dem Projekt sollen Mittel zur Gesundheitsförderung und Prävention entwickelt werden, die speziell auf die Bedürfnisse von ambulanten Pflegediensten und deren Angestellten zugeschnitten sind. „International sind wir mit dem Projekt EMMA weit vorne in der Forschung. Bislang gab es kaum Evidenzen – wir haben mit dem methodischen Vorgehen einen relevanten Erkenntniszugewinn erreichen können und waren so in der Lage, gezielte Maßnahmenpakete für die Zielgruppe der ambulanten Pflege entwickeln zu können“, erläutert Projektleiterin Dr. Gebhard.
Dabei wurde im ersten Schritt eine Ist-Analyse vorgenommen, wobei vor allem Belastungen, Herausforderungen und Ressourcen des Arbeitsalltages der ambulanten Pflegekräfte identifiziert werden sollten. „Pflegekräfte stehen vor vielfältigen Anforderungen. Psychosoziale sowie körperliche Herausforderungen prägen den Arbeitsalltag. Das Arbeitsumfeld der privaten Wohnumgebung der Patient_innen ist meist nicht an die auszuführenden Pflegetätigkeiten angepasst, Zeitdruck ist der permanente Begleiter bei allen Tätigkeiten und auch der Transfer zwischen den Patient_innenwohnungen hält Herausforderungen bereit, wie beispielsweise 30-mal aus dem Auto ein- und aussteigen, oder das Navigieren durch großstädtisches Stauaufkommen“, so Gebhard.
Gemeinsam mit den ambulanten Pflegekräften wurden thematische Schwerpunkte für die Maßnahmenentwicklung gesetzt, evaluiert und insgesamt 23 Maßnahmenpakete aus sechs Themenbereichen entwickelt – in Bayerischen Pflegeeinrichtungen erprobt und laufend angepasst. Diese bedienen gesundheitsfördernde und präventive Zugänge wie beispielsweise einem ergonomischen Arbeitsumfeld im Bereich des Autos, die Adressierung von Aspekten der Arbeitsorganisation, wie die Optimierung von Informationsflüssen oder dem Ausfallmanagement.
Aber auch soziale Komponenten wurden adressiert, wie die Wertschätzung der Mitarbeitenden untereinander: „Hierzu haben wir kurze Arbeitsaufträge in den Alltag der Mitarbeiter_innen eingebunden und abends wurden die positiven sowie negativen Erfahrungen an eine Pinnwand geheftet. Am Ende hatten die Mitarbeitenden einen geeigneten Ideenpool für ein besseres Miteinander“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Im letzten Schritt werden die Maßnahmen aktuell in Pflegeeinrichtungen in Berlin und Brandenburg auf ihre Wirksamkeit überprüft, unter anderem in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit, Burnout oder auch Resilienz. Diese Maßnahmen sollen schließlich in „MEHRWERT:PFLEGE", einem Angebot zum betrieblichen Gesundheitsmanagement der vdek, umgesetzt werden. „Mit den in Rahmen von EMMA entwickelten Interventionen ist es uns möglich, passgenaue und auf den Arbeitsalltag der ambulanten Pflegekräfte abgestimmte Maßnahmen in eine nachhaltige Prozessberatung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement zu integrieren. So können wir die Forschungsergebnisse 1:1 in die Beratungspraxis integrieren“, so Stefanie Thees, Projektleiterin von MEHRWERT:PFLEGE beim vdek.
Weitere Termine der Roadshow „Gesund arbeiten in der Pflege“:
- Fürth Montag, 17.07.2023
- Würzburg Mittwoch, 19.07.2023
Zur Homepage der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Kontakt:
Prof. Dr. Filip Mess
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24520
E-Mail: filip.mess(at)tum.de
Dr. Doris Gebhard
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24972
E-Mail: doris.gebhard(at)tum.de
Text: Bastian Daneyko
Fotos: privat