Das sensomotorische Kontrollsystem des Menschen verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten zur Ausführung geschickter Handlungen. So ermöglicht es, mühelos zwischen anstrengenden Aufgaben zu wechseln, die auf der einen Seite viel Kraft erfordern, wie beispielsweise das Heben einer schweren Nähmaschine, und auf der anderen Seite feinfühligen Bewegungen, wie beispielsweise das Einfädeln einer Nadel in dieselbe Maschine.
Das motorische System ist in der Lage, seine Leistungsfähigkeit durch tägliche Interaktion mit den unterschiedlichen Umgebungen zu erneuern. Jedoch können auch Probleme auftreten, die es dem Gehirn erschweren, solche Aufgaben zu lösen. Um einen Einblick in die Mechanismen der motorischen Kontrolle zu gewinnen, gibt die Professur für Neuromuskuläre Diagnostik unter der Leitung von Prof. Dr. David Franklin anhand eines Review-Papers einen Überblick über die Bewegungsgesetze, die die alltägliche Bewegung des Menschen prägen. Der Aufsatz wurde unter dem Titel „Behavioral Motor Performance“ im Journal „Comprehensive Physiology“ veröffentlicht. Die Fachzeitschrift hat einen Impact Faktor von 8,91.
In dem Beitrag wurden die wichtigsten Lösungen für jedes Problem der drei Phasen des sensomotorischen Kontrollsystems beschrieben, die aus der Wahrnehmung, der Planung und dem Handeln bestehen. Unter anderem wurde darauf eingegangen, wie das sensorische System sowie die Struktur und Funktionsweise der Muskeln dazu beitragen, Abweichungen und Störungen des motorischen Verhaltens zu überwinden – mit dem Ziel, eine geschickte motorische Bewegung auszuführen.
„Die Idee für diese Übersichtsarbeit war, jahrzehntelange Forschung in eine Struktur zum Verständnis der motorischen Leistung einzubinden“, erklärt Prof. Franklin. „Wenn wir das Thema motorische Leistung untersuchen, finden wir vor allem unabhängige Forschungsergebnisse, die bestimmte Phänomene, Beobachtungen oder Ungleichheiten beschreiben, aber ohne eine Gesamtstruktur. Unser Ziel war es, verschiedene Bereiche in einem Review mit einem rechnerischen Ansatz zusammenfassen.“
So wurden in dem Aufsatz die wichtigsten Lehrinhalte unter zwölf Stichpunkten zusammengefasst. Unter anderem wird darin erklärt, dass menschliche Bewegungen durch eine Reihe von unveränderlichen Verläufen charakterisiert werden können. Darunter fallen das Zusammenspiel von Geschwindigkeit und Genauigkeit, der reibungslose Ablauf und die Erzeugung glockenförmiger Geschwindigkeitsprofile. Das Gehirn produziert also Bewegungen mit einer gewissen Konstanz, die dazu beitragen, gewisse Aufgabenziele zu meistern. Dazu gehören die Gewährleistung von Stabilität, die Reduzierung von Fehlern, die Minimierung des Energieverbrauchs und die Maximierung von Belohnungen. Das Ziel der Forschung in diesem Bereich ist es, die motorische Leistung umzukehren und diese unveränderlichen Bewegungsverläufe zu nutzen. Dadurch können Berechnungen getätigt und Aufgabenziele ermittelt werden, die die sensomotorische Kontrolle bestimmen.
Sechs Probleme konnten innerhalb jeder dieser Phasen identifiziert werden: Nichtlinearität, Nichtstationarität, Verzögerungen, Rauschen, Unsicherheit und Redundanz. Das sensomotorische System muss mit diesen sechs Problemen umgehen, von denen jedes zu einer Verschlechterung der Leistung führen kann. Im Rahmen des Reviews wurden verschiedene Mechanismen ermittelt, die in allen drei Phasen der sensomotorischen Schleife - Wahrnehmung, Planung und Handeln - Lösungen für diese Probleme bieten könnten. Zudem wurden verschiedene Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung vorgeschlagen.
„Die bisherige Forschung hat sich oftmals nur auf eine dieser drei Phasen konzentriert. Wir wollten jetzt aber einen umfassenden Überblick über das komplexe Themengebiet schaffen“, so Dr. Raz Leib, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Neuromuskuläre Diagnostik und Erstautor der Publikation. „Der Hauptzweck des Aufsatzes ist, dass Studierende und Interessierte, die mit diesem Gebiet nicht vertraut sind, einen grundlegenden Standard und ein Verständnis für die Funktionsweise erhalten. Mit diesem Review haben wir die Geschichte des Forschungsgebiets bis hin zum aktuellen Stand der Forschung zusammengetragen. Es ist im Grunde genommen Lehrmaterial, aber auf Doktoranden-Niveau.“
Prof. Franklin ergänzt: „Idealerweise wird diese Übersicht in Zukunft von Menschen aus der ganzen Welt genutzt. Es ist ein Werkzeug für alle, die sich für diesen Bereich interessieren.“
Zur Publikation „Behavorial Motor Performance“ im Journal “Comprehensive Physiology”
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Kontakt:
Prof. Dr. David Franklin
Professur für Neuromuskuläre Diagnostik
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24583
E-Mail: David.Franklin(at)tum.de
Raz Leib
Professur für Neuromuskuläre Diagnostik
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24495
E-Mail: Raz.Leib(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: „Comprehensive Physiology”/privat