Wer war der schnellste Spieler? Wer hat den härtesten Schuss? Und wie viele Zweikämpfe hat eigentlich mein Team gewonnen? Statistiken gibt es im Sport seit etlichen Jahren, doch mittels künstlicher Intelligenz und Machine Learning finden sich neue Methoden, um diese Daten innovativ aufzubereiten.
Die Leistungsanalyse hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen und sich zu einer regelrechten Big-Data-Wissenschaft entwickelt. Vorrangig in den Top-Ligen werden mittlerweile bei jedem Spiel immense Mengen an Informationen akribisch aufgezeichnet. Diese Daten werden nicht nur zur Beantwortung grundlegender Fragen wie der Schnelligkeit von Spieler_innen oder der Effektivität von Schüssen genutzt, sondern ermöglichen auch tiefgreifende Einblicke in die taktischen und physischen Aspekte des Spiels.
Prof. Dr. Martin Lames, Leiter des Lehrstuhls für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, hat auf der 11. Internationalen Konferenz über sportwissenschaftliche Forschung und Technologieförderung der icSPORTS, vom 16. bis 17. September in Rom, an der Teilnehmer_innen aus über 20 Ländern partizipierten, eine Keynote zum Thema künstliche Intelligenz im Sport sowie über die Vor- und Nachteile der Umsetzung und deren Perspektiven gesprochen.
„Die aktuelle Entwicklung im Sport zeigt eine stetig verbesserte Datenlage, wobei eine differenzierte Betrachtung notwendig ist. Besonders in kommerziell orientierten Sportarten finden wir eine hohe Datenfülle. Dies steht allerdings im Kontrast zu weniger kommerziellen Sportarten wie beispielsweise Breakdance oder Lacrosse, den neuen aufstrebenden olympischen Disziplinen, die nicht über eine vergleichbare Big-Data-Situation verfügen. Im Lacrosse zum Beispiel haben wir bereits Studien begonnen, um auf die Herausforderungen einer neuen olympischen Sportart vorzubereiten“, erläutert Prof. Lames.
Der Trainingswissenschaftler warnte im Vortrag aber auch vor unsachgemäßer Anwendung der Technologien. Medien würden Statistiken beispielsweise ausnutzen, um Unterhaltung und Klicks zu generieren, im Gegensatz zu den wissenschaftlichen Standards von Präzision und Validität. Auch Anwendungen zur Vorhersage von Spielen oder Spielsituationen seien nicht im primären Interesse der Sportwissenschaft, da man den Anwendungen der sogenannten „Benchmark-Verbesserungen“ die praktische Relevanz mehr oder minder absprechen müsse. Grundsätzlich sei die Entwicklung allerdings positiv: „Es freut mich, zu sehen, dass Sportdaten immer öfter in der Grundlagenforschung der Informatik Einzug finden, um auf den Feldern der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens Fortschritte zu erzielen. Diese Entwicklung birgt auch für uns zumindest das Potenzial neuer Ideen und Erkenntnisse für die Datenanalyse“, ergänzt Prof. Lames.
Der „Königsweg“ in der Nutzung von Sportdaten und maschinellem Lernen liege letztlich in den „richtigen“ Fragestellungen und der interdisziplinären Zusammenarbeit. „Da brauchen wir die Skills und das Know-how aus der Informatik, aber auch den richtigen Input des Sports“, erläutert Prof. Lames. Die Bandbreite an wissenschaftlichen Themen, angefangen von der Mustererkennung in Spielzügen über die sinnvollen Anwendungen von Vorhersagen bis hin zur Identifikation von Verhaltenstendenzen der Spieler_innen, was besonders beim Scouting und in der Vorbereitung auf Spiele von enormer Relevanz sei, verdeutlichen diese Potentiale.
Eine Gefahr der Vereinnahmung des Sports durch die Daten hält Prof. Lames für unbegründet: „Die Wissenschaftsfundierung im Sport nimmt zu – das ist aus meiner Sicht keine schlechte Entwicklung. Auch die Qualität der Informationen, die Teams abrufen können, nimmt zu, was dazu führt, dass daraus Vorteile gezogen werden können. Aber: Der Sport wird immer unberechenbar, unkalkulierbar bleiben. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Frage: Wo ist der Ball fünf Sekunden nach einer Ecke? Die Bandbreite reicht von Abstoß bis zum Gegentreffer durch einen Konter. Das Schöne ist, dies kann niemand vorhersagen.“
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Kontakt:
Prof. Dr. Martin Lames
Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24500
E-Mail: Martin.Lames(at)tum.de
Text: Bastian Daneyko
Fotos: Privat