Die Max-Planck-Gesellschaft ist Deutschlands erfolgreichste Forschungsorganisation - bereits 17 ihrer Wissenschaftler_innen wurden mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Seit 2010 ist Prof. Elisabeth Wacker, Ordinaria des Lehrstuhls für Diversitätssoziologie der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaft, Max-Planck-Fellow. Am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik leitet Prof. Wacker eine Arbeitsgruppe. Im Juni wurde das Fellowship von Prof. Wacker um weitere fünf Jahre verlängert, beginnend am 1. März 2015.
Um die Zusammenarbeit mit den Universitäten zu intensivieren, wurde 2005 von der Max-Planck-Gesellschaft das Programm der Fellowships eingerichtet. Aktuell sind 40 Fellowships vergeben. Das neue Fellowship ermöglicht die Einrichtung einer themengebundenen Forschungsgruppe für die Laufzeit von fünf Jahren und wird mit räumlicher Ausstattung und 600 000 Euro unterstützt.
Frau Prof. Wacker, zunächst herzlichen Glückwunsch zur Verlängerung des Fellowship. Was bedeutet Ihnen dieser Schritt der Max-Planck-Gesellschaft?
"Natürlich ist das eine Ehre, aber es ist vor allem auch sehr attraktiv und motivierend. Ich bin ja eine total begeisterte, neugierige Wissenschaftlerin, und ich finde es hochgradig motivierend, mit begabten Leuten an interessanten Themen zu arbeiten.
Das Fellowship erweitert nochmals die Verantwortung, aber auch die Möglichkeiten mit mehr Personal und guten Wissenschaftler_innen an interessanten Forschungsfragen zu arbeiten."
Sie sind bereits seit 2010 Max-Planck-Fellow. Wie ist die Zusammenarbeit entstanden?
"Bei der Max-Planck-Gesellschaft werden diese Entscheidungen nach dem sogenannten Harnack-Prinzip getroffen. Das bedeutet: Zunächst wird eine Person gesucht, der man exzellente Forschung zutraut. Die wird dann von unabhängigen nationalen und internationalen Expert_innen überprüft. Letztendlich wird die Qualität der Arbeit dieser Person evaluiert. Bei Fellows werden wissenschaftliche Ideen von drei oder vier Gutachter_innen geprüft, die Personen oder genaue Zahl erfährt man nicht. Und dann ist es eben hopp oder top."
Und die Gutachter_innen legen dann das Thema des Fellowship fest?
"Nein. In der Themenwahl ist man absolut frei. Es gibt aber ein Kuratorium, das schaut, was das jeweilige Max-Planck-Institut macht. In diese Institutsberatungsprogrammatik ist man eingebunden und zeigt dort auch, welchen Fragestellungen man nachgeht. Und alle zwei Jahre gibt es einen relativ ernsten wissenschaftlichen Prüfstand mit externen Evaluator_innen. Dafür macht man auch einen Bericht, der in einem unabhängigen Gutachten an das Präsidium bewertet wird."
Welches Themengebiet hatten Sie für das erste Fellowship gewählt?
"Das hieß ,Wandel der Sozialsysteme und Teilhabe bei Behinderungʹ. Wir haben versucht, unter den Voraussetzungen der UN-Behindertenrechtskonvention und des demografischen Wandels - also der Unterschiede, die sich in der Gesellschaft ergeben - aus verschiedenen Perspektiven die Frage zu stellen, wie es um die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung in der Gesellschaft steht. Darüber hinaus haben wir untersucht, welche Wechselwirkungen sich aus rechtlichen Vorgaben und gesellschaftlichen Diskursen ergeben. Wir haben also an der Kante von Sozialpolitik und Sozialrecht geforscht. So ist ja auch das Institut aufgestellt."
Wie wurden diese Fragen bearbeitet?
"Das Format, das ich gewählt habe, war multidisziplinär. Ich habe also versucht, Leute aus verschiedenen Disziplinen zu gewinnen, die auf das gleiche Thema schauen. Dann wollte ich die nationale und internationale Ebene abbilden und die unterschiedlichen Organisationsebenen. Das heißt: einige haben sich mehr mit Professionalisierungsfragen befasst, also Beratung, Qualifizierung und Weiterqualifizierung von Personal, andere mit der Frage, wie sich Leistungssysteme entwickeln; und auch mit der Frage, wie Gesellschaften eigentlich mit Inklusion umgehen. Welche Varianten sind im Spiel und wie wirken die sich aus?"
Im kommenden Februar beginnt das neue Fellowship zum Thema "Dis[cover]ability & Indicators for Inclusion". Was planen Sie?
"Das wichtigste an solchen Programmen ist immer, dass man dort steht, wo der Ball hinkommt. Das hat beim Thema ,Inklusionʹ ganz gut geklappt. Wir waren vor dem Hype sozusagen bereits ,am Ballʹ und das streben wir nun wieder an. Die Idee ist, genauer zu schauen, wie man eigentlich unsere Vielfaltsgesellschaft operationalisieren kann. Wie kommt man zu klareren Aussagen außer ,alles ist verschiedenʹ? Das ist ja eigentlich noch keine wirkliche Aussage. Und: Wie kann unter solchen Kontexten Inklusion vielleicht sogar bemessen oder bewertet werden?"
Gibt es neben dem Thema Unterschiede zu Ihrem bisherigen Fellowship?
"Ja. Für dieses Fellowship ist es meine Idee, auf die nächste Qualifikationsebene zu gehen. Weil das Thema noch komplexer ist und damit für Leute, die sich die ersten akademischen Sporen verdienen, schon sehr kompliziert. Außerdem sind die wenigsten Förderungen genau in dieser Phase der Qualifikation. Und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist ja schon für das reine Überleben sinnvoll und auch für gute Forschung und eine stabile Wissenschaftslandschaft notwendig.
Deswegen habe ich gedacht, dieses Programm auf eine Post-doc-Phase zu setzen. Ich möchte zwei, drei wirklich sehr begabten Nachwuchswissenschaftler_innen die Möglichkeit geben, dass sie entweder die Habilitation abschließen - in einem 5-Jahres-Programm muss das drin sein - oder bereits während des Fellowship wegberufen werden. So, wie es auch mit Prof. Minou Banafsche aus meinem aktuellen Team passiert ist, die gerade einen Ruf an die Universität Kassel angenommen hat."
Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Fabian Kautz