Depressionen sind weltweit und insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen wie Indien eine der häufigsten chronischen psychischen Erkrankungen. Insbesondere leiden Menschen mit Typ-2-Diabetes doppelt so häufig auch an Depressionen, mit einer weiter steigenden Tendenz. Nach China ist Indien das Land, in dem Erwachsene am zweithäufigsten an Diabetes erkranken.
Diese Voraussetzungen hat die Professur für Public Health und Prävention unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Laxy zum Anlass genommen, um zusammen mit Partner_innen aus Indien und den USA die Kosteneffizienz einer kooperativen Behandlung im Vergleich zur üblichen Behandlung bei Erwachsenen mit schlecht kontrolliertem Typ-2-Diabetes und Depression in Indien zu bewerten. Die Ergebnisse der Studie wurden unter dem Titel „Cost-Effectiveness of a Collaborative Care Model Among Patients With Type 2 Diabetes and Depression in India” im Journal „Diabetes Care” veröffentlicht. Die Fachzeitschrift hat einen Impact Faktor von 19,112.
„Diabetes beschäftigt Patient_innen auch über die Krankheit hinaus und führt oft zu psychologischen Beschwerden“, erklärt Karl Emmert-Fees, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Public Health und Prävention und Erstautor der Publikation. „Diese Problematik erschwert dann wiederum das Management der Diabetes-Erkrankung. Es ist letztendlich also ein nie endender Kreislauf. Aus diesem Grund wollten wir den Ansatz der Kosteneffizienz-Berechnung der ganzheitlichen Versorgung erproben und herausfinden, ob sich der Aufwand letztendlich lohnt.“
Die Daten wurden zwischen März 2015 und Mai 2016 im Rahmen der Patientenstudie „Integrating Depression and Diabetes Treatment“, kurz INDEPENDENT, des Global Diabetes Research Center der Emory University in Atlanta zusammen mit indischen Partner_innen erhoben. Diese wurde in vier sozioökonomisch unterschiedlichen städtischen Diabetes-Kliniken in Indien durchgeführt. Patient_innen mussten mindestens 35 Jahre alt sein und eine bestätigte Typ-2-Diagnose sowie moderate bis schwere depressive Symptome haben. Proband_innen der Interventionsgruppe erhielten eine ganzheitliche Versorgung über zwölf Monate und wurden anschließend weitere zwölf Monate ohne bestimmte Interventionen begleitet. Die Behandlung bestand aus drei evidenzbasierten Komponenten auf Patientenlevel (z. B. Unterstützung beim Selbstmanagement), auf klinischem Level (z. B. elektronische Entscheidungshilfen) sowie auf Systemlevel (z. B. Überprüfung von Patientenfällen).
Darauf basierend wurde das Kosteneffizienz-Verhältnis in indischen Rupien sowie internationalen Dollar berechnet. Darüber hinaus kalkulierten die Forscher_innen die Wahrscheinlichkeit der Kosteneffizienz anhand von qualitätsbezogenen Lebensjahren (QALYs) sowie depressionsfreien Tagen (DFDs). Gefördert wurde die Untersuchung vom National Institute of Mental Health (NIMH) in den USA.
Insgesamt nahmen 404 Patient_innen mit schlecht eingestelltem Typ-2-Diabetes und depressiven Symptomen an der Studie teil. Aus der Perspektive der verschiedenen Kostenträger_innen waren die durchschnittlichen Kosten der Interventionsgruppe um 25.975 Rupien (1.288 Dollar) höher als bei der Kontrollgruppe. Die gesamten Interventionskosten lagen bei 309.558 Rupien (15.344 Dollar) pro qualitätsbezogenem Lebensjahr (QALYs) und 228,7 Rupien (11,3 Dollar) pro depressionsfreiem Tag (DFDs).
Für QALYs lag die Wahrscheinlichkeit, dass die Intervention kosteneffektiv ist, bei 0,80 bis 56,4 Prozent, wobei Schwellen zur Zahlungsbereitschaft zwischen 112.000 Rupien (5.552 Dollar) bis zu 336.000 Rupien (16.654 Dollar) verwendet wurden. Die erforderliche Zahlungsbereitschaft pro depressionsfreiem Tag, um eine Wahrscheinlichkeit der Kosteneffektivität von über 95 Prozent zu erreichen, betrug 401,6 Rupien (19,9 Dollar).
Aufgrund der Ergebnisse konnte geschlussfolgert werden, dass die ganzheitliche Versorgung über 24 Monate kosteneffektiv sein kann, insbesondere, wenn sie in bestehende klinische Arbeitsabläufe integriert wird. Diese Studie kann daher als Vorbild für die Integration der Behandlung von psychischer Gesundheit und chronischer Krankheit in anderen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen dienen.
„Es handelt sich hierbei natürlich um eine Forschungsstudie“, so Prof. Laxy. „Insofern stellt sich natürlich jetzt die Frage, wie eine solche Intervention insbesondere im Hinblick auf die Kostenstruktur in der Realität umsetzbar wäre. Wenn es sich aber gut in den klinischen Alltag integrieren lässt, lohnt sich dieses Vorgehen auf jeden Fall. Unsere qualitativ sehr hochwertige Studie zeigt ein gesundes Verhältnis im Hinblick auf die Kosteneffizienz von integrierter Versorgung. Jedoch ist genau diese integrierte Versorgung in Indien bislang nur sehr unzureichend implementiert.“
Zur Publikation „Cost-Effectiveness of a Collaborative Care Model Among Patients With Type 2 Diabetes and Depression in India” im Journal „Diabetes Care”
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Kontakt:
Prof. Dr. Michael Laxy
Professur für Public Health und Prävention
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24977
E-Mail: michael.laxy(at)tum.de
Karl Emmert-Fees
Professur für Public Health und Prävention
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
E-Mail: karl.emmert-fees(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: „Diabetes Care“/Helmholtz Zentrum München/privat