Wie treffen Menschen die Entscheidung zu motorischen Handlungen? Der Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft der Technischen Universität München (TUM) hat hierzu einen Aufsatz in der Fachzeitschrift „Frontiers in Psychology“ (Impact Factor 2.089) veröffentlicht. In einem Experiment untersuchte Dr. Melanie Krüger gemeinsam mit Ordinarius Prof. Dr. Joachim Hermsdörfer den Einfluss verschiedener Unsicherheits-Bedingungen auf motorische Handlungen. „Das Themenfeld ,Motor Decision Making‘ ist in unserem Fach aktuell national wie international ein Top-Thema“, sagt Prof. Hermsdörfer.
Experiment mit 66 Bewegungsaufgaben in drei Blöcken
Konkret wurde untersucht, inwiefern unterschiedliche Ursachen und Höhen von Unsicherheit während der motorischen Entscheidungsfindung die Ausführung von zielgerichteten Zeigebewegungen beeinflussen. Dafür mussten 10 Proband_innen in einem Experiment in drei Blöcken jeweils 66 Bewegungsaufgaben ausführen. Von einem Startpunkt aus sollten sie mit einem Finger auf einen Punkt auf einem Bildschirm deuten. Im ersten Block erschien der Punkt bereits vor der Bewegungsausführung, so dass keine Unsicherheit über den Zielpunkt bestand.
Im zweiten Block wurden zwei Punkte gezeigt, von denen sich einer nach Beginn der Bewegung einfärbte und berührt werden musste. Dieser Ablauf erzeugte eine hohe Unsicherheit über das Zeigeziel während der Bewegungsplanung. In der dritten Situation färbten sich nach Bewegungsbeginn beide Punkte ein. Die Teilnehmenden mussten sich während der Ausführung für einen der beiden Punkte entscheiden. Um die Bewegungen der Proband_innen zu messen, wurde die Position ihrer Fingerspitze während des gesamten Prozesses per 3D Motion Capture aufgezeichnet. „Das Experimentaldesign ist natürlich sehr heruntergebrochen und aus dem Alltag abstrahiert. Dadurch ist es möglich, dass wir gezielt objektive Erkenntnisse sammeln können“, erklärt Hermsdörfer.
Gehirn plant bei Zielmehrdeutigkeit verschiedene Aktionen
Das Hauptergebnis ist, dass bei der Zielmehrdeutigkeit verschiedene potenzielle Aktionen gleichzeitig geplant werden. „Die Entscheidung für eine konkrete Handlung fällt erst während der Ausführung. Das Gehirn bevorzugt in seiner Planung nicht nur einen einzigen, seriellen Bewegungsablauf, sondern durchdenkt gleichzeitig weitere Alternativen“, erklärt Prof. Hermsdörfer. Dies ermöglicht beispielsweise den Umgang mit variierenden und unvorhergesehenen Umweltsituationen, auf die Menschen in der Praxis häufig treffen. Beispielsweise, wenn in der U-Bahn einer von mehreren nahen Griffen gefasst werden soll, während der Zug fährt und spontan wackelt.
Künftig sollen am Lehrstuhl weitere Studien zu dem Themenfeld mit anderen Proband_innen-Kollektiven durchgeführt werden. „Wir wissen beispielsweise bisher sehr wenig über das Entscheidungsverhalten von Älteren, weil diese Gruppe kaum exploriert ist“, sagt Hermsdörfer.
Zum Paper im Journal Frontiers in Psychology
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Kontakt:
Prof. Dr. Joachim Hermsdörfer
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24551
E-Mail: Joachim.Hermsdoerfer(at)tum.de
Text: Dr. Fabian Kautz
Foto: TUM