Publikation des Lehrstuhls für Epidemiologie im Deutschen Ärzteblatt zur steigenden Inzidenz des früh auftretenden Kolorektalkarzinoms

News der Fakultät |


Das Deutsche Ärzteblatt ist ein offizielles Organ der Ärzteschaft und wird herausgegeben von der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Prof. Dr. Stefanie Klug, Ordinaria des Lehrstuhls für Epidemiologie
Dr. Luana Fiengo Tanaka, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Epidemiologie

Darmkrebs ist laut einer Statistik des Robert-Koch-Instituts die dritthäufigste Krebserkrankung. In Deutschland sind jedes Jahr rund 33.000 Männer und 26.000 Frauen von einer Neuerkrankung betroffen. Die meisten kolorektalken Karzinome entstehen dabei aus Wucherungen, die sich in der Schleimhaut des Dickdarms bilden. Mehrere Faktoren wie Ernährung (insbesondere rotes und verarbeitete Fleisch), Übergewicht/Fettleibigkeit, Rauchen und Alkohol werden mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko in Verbindung gebracht. Körperliche Aktivität und der Verzehr von Ballaststoffen sind dagegen Schutzfaktoren. Die meisten der derzeitigen Erkenntnisse beruhen auf Untersuchungen bei Menschen ab 50 Jahren. Entsprechend ist derzeit noch unklar, ob dies auch auf jüngere Bevölkerungsgruppen zutrifft. Darmkrebs tritt vermehrt ab dem 50. Lebensjahr auf. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 72 Jahren, für Frauen bei 75 Jahren.

Das kolorektale Karzinom, also Krebs im Dickdarm (Kolonkarzinom) bzw. Mastdarm (Rektumkarzinom), gehört zu den häufigsten bösartigen Tumoren. Etwa 95 Prozent der jährlichen Neuerkrankungen werden nach dem 50. Lebensjahr diagnostiziert. Jedoch nimmt die Inzidenz von früh auftretenden Kolorektalkarzinomen mit Diagnose vor dem 50. Lebensjahr vor allem in Ländern mit hohem Einkommen zu.

Im Rahmen einer Studie hat der Lehrstuhl für Epidemiologie von Ordinaria Prof. Dr. Stefanie Klug die Entwicklung der früh auftretenden Kolorektalkarzinome in Deutschland analysiert. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Steigende Inzidenz des früh auftretenden Kolorektalkarzinoms“ im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. Die Fachzeitschrift hat einen Impact Faktor von 8,251.

Für die Analyse stellte das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) des Robert-Koch-Instituts Daten zur Inzidenz des Kolonkarzinoms für den Zeitraum 1999 bis 2018 zur Verfügung. Für den gesamten Auswertungszeitraum konnten Krebsregister der Bundesländer Bremen, Hamburg, Münster, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein Daten liefern. In diesen Registern sind 12,9 Millionen Einwohner_innen enthalten, die etwa 16 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachen.

„Grundsätzlich ist die Inzidenz von Darmkrebs sowohl in Deutschland als auch in anderen einkommensstarken Ländern zurückgegangen“, erklärt Dr. Luana Fiengo Tanaka, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Epidemiologie und Erstautorin der Publikation. „Jedoch haben wir festgestellt, dass vor allem bei jüngeren Menschen die Zahlen deutlich gestiegen sind.“

Anhand der Daten konnte analysiert werden, dass Kolorektalkarzinome im Alter von 20-49 Jahren in Deutschland 5,1 Prozent der Darmkrebsfälle ausmachen. Bei Männern stieg die Inzidenz jährlich um 1,16 Prozent, bei Frauen immerhin um 1,32 Prozent. Die meisten Tumore (58,4%) traten im Kolon, also dem Dickdarm, auf. Der stärkste Anstieg an Darmkrebs konnte in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen beobachtet werden. Bei den Männern in dieser Altersgruppe stieg die Rate um 4,4 Prozent pro Jahr, bei Frauen sogar um 6,4 Prozent.

„In den USA betreffen derzeit sogar zwölf Prozent der Fälle Menschen, die jünger als 50 Jahre alt sind“, so Dr. Tanaka. Erst kürzlich haben die American Cancer Society und die US Preventive Services Task Force ihre Empfehlungen zum Darmkrebsscreening aktualisiert und das Alter für das erste Screening von 50 auf 45 Jahre gesenkt. In Deutschland übernehmen die Krankenkassen bei Männern ab 50 Jahren und bei Frauen ab 55 Jahren alle zehn Jahre die Kosten für eine Früherkennungs-Darmspiegelung (Koloskopie), maximal zweimal im Leben. Alternativ haben Männer und Frauen zwischen dem 50. und 54. Lebensjahr jährlich und ab dem 55. Lebensjahr alle zwei Jahre Anspruch auf einen jährlichen immunologischen Test auf okkultes Blut im Stuhl (iFOBT), der eine zuverlässige Früherkennungsmethode für Darmkrebs und dessen Vorstufen darstellt. Seit Juli 2019 werden zudem alle Versicherten ab 50 Jahren von ihrer Krankenkasse regelmäßig per Post über die Darmkrebsfrühvorsoge informiert.

Die Gründe für frühauftretende Kolorektalkarzinome sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt. „Mögliche Ursachen könnten Übergewicht sowie mangelnde körperliche Aktivität vor allem bei jüngeren Menschen in Deutschland sein. Aber auch eine ungesunde Ernährung und die Einnahme von Breitbandantibiotika, die zur Veränderung des Darmmikrobioms und Entzündungen führen können, könnten zur Entstehung von Darmkrebs im Frühstadium beitragen“, so Dr. Tanaka.

„Gerade beim Darmkrebs ist die Prävention ganz besonders wichtig und wirksam. Zum einen können mit der primären Prävention, also dem eigenen gesunden Verhalten, wie gesunde Ernährung und viel Bewegung, sehr viele Darmtumoren verhindert werden. Zum anderen gibt es eine sehr wirkungsvolle sekundäre Prävention, nämlich die Krebsfrüherkennung. Hier können über einen möglichen Nachweis von Blut im Stuhl und noch viel effektiver über zwei Darmspiegelungen im Leben Vorstufen früh erkannt und abgetragen werden. Ganz wichtig ist dabei allerdings eine Teilnahme an der Krebsfrüherkennung“, erklärt Prof. Klug.

 

Zur Homepage des Lehrstuhls für Epidemiologie

Zur Publikation „Steigende Inzidenz des früh auftretenden Kolorektalkarzinoms” im Deutschen Ärzteblatt

 

Kontakt:

Prof. Dr. Stefanie Klug
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56
80992 München

Telefon: 089 289 24950
E-Mail: stefanie.klug(at)tum.de

Dr. Luana Fiengo Tanaka
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56
80992 München

Telefon: 089 289 24960
E-Mail: luana.tanaka(at)tum.de


Text: Romy Schwaiger
Fotos: Deutsches Ärzteblatt/privat