Die Rahmenbedingungen des ersten Gastreferats im Wintersemester 20/21 waren für die Studierenden des Moduls „Sportkommunikation und Sportsponsoring“ nicht wie gewohnt. In den vergangenen Jahren war Frau Dr. Hanna Raif regelmäßig bei Herrn Prof. Dr. Michael Schaffrath, Leiter des Arbeitsbereichs für Medien und Kommunikation, und seinen Studierenden in Präsenz zu Gast am Uptown Campus, um über ihren Alltag als Sportjournalistin und festangestellte Redakteurin beim „Münchner Merkur“ zu referieren und Fragen der Studierenden zu beantworten. Da jedoch eine Präsenzveranstaltung mit den insgesamt 60 Studierenden des Moduls pandemiebedingt nicht umsetzbar war, fand der Vortrag zum ersten Mal überhaupt in Form einer Online-Videokonferenz statt. Somit verfolgten die Studierenden das rund 45-minütige Gespräch zwischen Dr. Hanna Raif und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Romy Schwaiger über „Zoom“, um anschließend selbst Fragen an die Journalistin zu stellen.
Die Einschränkungen durch COVID-19 hätten selbstverständlich auch den Arbeitsalltag in der Sportredaktion des „Münchner Merkurs“ und der „tz“ verändert. „Mittlerweile finden die Pressekonferenzen mit Trainer Hansi Flick sowie den Spielern des FC Bayern München nur noch virtuell über Videokonferenzen statt“, schilderte Raif die größte Veränderung: „Von dem direkten Kontakt zu den Spielern in der Mixed Zone des Stadions haben wir schon sehr in unserer täglichen Berichterstattung gezehrt.“ Selbst ohne wörtliche Aussagen der Fußballer hätten laut Dr. Raif deren Mimik und Gestik beim Vorbeigehen an der Mixed Zone durchaus in einigen Fällen als Einordnung für die Berichterstattung dienen können. Dementsprechend würden die Geschichten rund um den FC Bayern München nun „ein wenig schwerer umzusetzen, da der Zugang verknappt ist.“. Der einzige Zugriff auf O-Töne beschränke sich im Moment auf die Online-Pressekonferenzen sowie vereinzelt vergebene Exklusiv-Interviews, erläuterte Raif. Man müsse auch viel von lange aufgebauten Kontakten zehren, um gute Geschichten zu recherchieren.
Keine Auswirkungen merke Dr. Hanna Raif bei ihren Arbeitszeiten. Diese seien nach wie vor sehr unterschiedlich und daher auch mit Kind immer noch flexibel zu handhaben. Insgesamt sei der Alltag sehr stark von den Ereignissen beim FC Bayern München abhängig. Insbesondere berichtete die promovierte Sportjournalistin auch über die Herausforderungen, die die aktuelle Berichterstattung über den Sport mit sich bringe: „Ein Bericht über ein Champions-League-Spiel wird in der Regel noch vor dem Abpfiff in die Redaktion geschickt. Fällt dann in der Nachspielzeit noch ein Tor oder der Spielverlauf wird sogar durch späte Tore auf den Kopf gestellt, muss womöglich sogar noch der Texteinstieg geändert werden. Insofern kann sich der Zeitdruck jederzeit durch das Spiel selbst entwickeln.“ Genau diese Erfahrungen im Zusammenspiel mit der Unvorhersehbarkeit des Tagesgeschäfts beschrieb Raif aber als großen Anreiz und wichtigen Grund für ihre Liebe zum Beruf.
Als Hinweis für die möglicherweise zukünftigen Journalisten und Journalistinnen unter den Studierenden, empfahl Dr. Raif, so viele Praktika wie möglich und im Idealfall ein Volontariat zu absolvieren. Vor allem kleinere Redaktionen seien für den beruflichen Einstieg sehr geeignet, da man in diesen die Möglichkeit habe, oft auch viele Nachrichten selbst verfassen zu dürfen und somit seinen Erfahrungsschatz erweitern zu können. Sportbegeisterten Studierenden, die sich möglicherweise nicht als Taktikexperten sehen, gab Dr. Raif Folgendes mit auf den Weg: „Auch wenn die Fußballkompetenz nicht perfekt ist, hält es niemandem davon ab, gute Geschichten über den Fußball zu schreiben, wenn das Interesse an dem Sport und seinem Drumherum entsprechend groß ist.“
Schlechte Erfahrung aufgrund ihres Geschlechts hat Dr. Hanna Raif laut eigener Aussage in der eigenen Redaktion noch nie gemacht. Es könne jedoch durchaus vorkommen, dass mit Vorurteilen gefüllte E-Mails oder Leserbriefe an die Redaktion geschickt werden. Die erfahrene Journalistin geht mit diesen Äußerungen sehr souverän um. „Wir sind seitens der Redaktionsleitung dazu angehalten, auf jeden Leserbrief zu antworten. Ich frage dann zum Beispiel, ob der Leser so auch mit seiner Frau reden würde. Meistens kommen dann Entschuldigungen zurück.“ Generell habe sich Raif von solchen Kommentaren aber nie in irgendeiner Weise von Ihrem Beruf als Sportjournalistin abhalten lassen.
Die Verschiebung der medialen Aufmerksamkeit in Richtung der sozialen Medien wie Facebook und Instagram sieht Frau Dr. Raif eher als Selbstvermarktung der Fußballspieler denn als journalistisch qualitative Beiträge. Vor allem in diesen Zeiten stellten die Beiträge der Bayern-Spieler in den sozialen Medien jedoch oftmals eine Quelle für die tägliche Berichterstattung dar: „Der Einfluss der sozialen Medien wird immer größer. Man sollte die Entwicklung nicht verfluchen – denn davon können Sportredaktionen, gerade in diesen Zeiten, durchaus profitieren.“
Text & Fotos: Benjamin Settles