Der Bewegungsgipfel der Bundesregierung markiert ein historisches Ereignis. Erstmals kamen am Dienstag, 13. Dezember 2022, Bund, Länder, Kommunen und der organisierte Sport zusammen, um die Defizite von Sport, Bewegung und Gesundheit in der Gesellschaft abzubauen und gemeinsam anzugehen. Nicht erst seit der Corona-Pandemie sind insbesondere Kinder und ältere Menschen von Bewegungslosigkeit betroffen. Initiiert durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, sollen die Missstände angepackt und durch einen „Entwicklungsplan Sport“ behoben werden. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Wie wichtig den beiden Politiker_innen der Sport und die Bewegungsförderung ist, zeigt ein Statement von Bundesgesundheitsminister Lauterbach: „Der Sport leistet mehr als jedes einzelne Arzneimittel, was wir je erfunden haben und was wir wahrscheinlich auch erfinden können. Somit ist der Sport aus medizinischer Sicht durch nichts ersetzbar, es ist einfach das beste Medikament, was wir jemals erfunden haben.“ Der Sport soll mithilfe von konkreten Maßnahmen und Projekten wieder an die Menschen herangebracht werden – unabhängig von Alter, Geschlecht, finanziellen Möglichkeiten oder körperlichen sowie geistigen Fähigkeiten.
Prof. Dr. Ansgar Schwirtz, Leiter der Professur für Biomechanik im Sport, war als Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) auf den Bewegungsgipfel eingeladen und vertrat die wissenschaftlichen Einrichtungen. Er ordnet die Gipfelerklärung des Bundes ein.
Prof. Schwirtz über…
…den Bewegungsgipfel der Bundesregierung für den Sport:
„Als Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) habe ich die wissenschaftlichen Einrichtungen vertreten. Das Einmalige an dem Gipfel war, dass sich alle Ministerien auf eine gemeinsame Gipfelerklärung geeinigt und diese auch unterschrieben haben. Die Erklärung ist ein starkes politisches Statement und ein wichtiger Aufschlag für die Zukunft des Sports in unserem Land. Deshalb soll im nächsten Jahr ein Entwicklungsplan Sport aufgestellt werden, für den alle Ministerien zuständig sind. Bisher gab es die klassische Aufteilung; Leistungssport ist Sache des Bundes, Gesundheits- und Breitensport Sache der Länder. Nun wird es eine konzentrierte Aktion von Bund und Ländern geben.“
…infrastrukturelle Maßnahmen:
„Der Gipfel und die handelnden Personen haben viel Zuversicht ausgestrahlt. Das ist ein positives Signal, das wir für die Sportwissenschaft mitnehmen können. In Bezug auf die infrastrukturellen Maßnahmen sieht der Entwicklungsplan ein Budget von jährlich zwei Milliarden Euro vor, nur um Sportstätten erhalten zu können. In Zukunft sollen aber nicht nur Sporthallen oder Sportplätze gebaut werden, sondern attraktive Anlagen entstehen, in denen vielfältiger Sport und diverse Bewegungsmuster stattfinden können. Das können beispielsweise Parkanlagen zum Joggen und Skaten oder auch Schwimmbäder mit Seecharakter sein, entsprechend lebens- und liebenswerte Anlagen. Das soll in zukünftigen Städteplanungen berücksichtigt werden. Mein Optimismus liegt darin, dass die Politik die Komplexität der Fragestellung endlich verstanden hat und sich aktiv darüber unterhält, wie der Sport zu den Menschen gebracht wird. Wichtig ist, dass dazu Gelder von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt wird. Den Worten müssen Taten und finanzielle Mittel folgen. Der Tenor war aber einhellig: Alle wollen anpacken, insbesondere Kinder und ältere Menschen wieder in Bewegung zu bringen. Der Sport hält unsere Gesellschaft schließlich zusammen.“
…die Rolle und Stärkung des Ehrenamtes für den Sport:
„Die klare Botschaft ist: Ohne Ehrenamt geht es nicht! Wir sind stolz auf alle Ehrenamtlichen. Über die letzten Jahre ist die Zahl leider zurückgegangen. Das liegt nicht nur an der Corona-Pandemie, sondern auch an der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Es muss einen Impuls geben, das Ehrenamt zu stärken, den Leuten Sicherheit zu geben und das Interesse für das Ehrenamt nachhaltig zu wecken. Beispielsweise können auch Spitzensportler_innen ehrenamtlich tätig werden. Eines möchte ich aber besonders betonen: Das Hauptamt zieht das Ehrenamt. Wir brauchen dringend einen Gesprächskreis, um zu erörtern, wie wir Fachkräfte für den Sport finden und wie wir diese adäquat ausbilden. Wir brauchen sehr gut ausgebildete und engagierte Sportwissenschaftler_innen und Sportlehrer_innen, damit diese Landschaft erhalten bleibt“.
…die Aussage von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, dass Sport die beste Medizin sei:
„Das war ein starkes Statement, das auf die gesellschaftliche, aber auch gesundheitliche und ökonomische Kraft des Sports abzielt. Wir sagen häufig, dass Sport als Medikament dient und dieser als Bewegung verschrieben werden sollte. Wenn man es aber noch ein Stück weiterdreht, müsste der Sport als Präventionsmaßnahme verschrieben werden und nicht als Medikament. Man sollte das Medikament ‚Sport‘ nehmen bevor man krank wird – und entsprechend präventiv in Bewegung kommen. Ich empfand die Bemerkung des Bundesgesundheitsministers als sehr zielführend, sodass man auch mitnimmt, dass man nicht nur das schönste Hobby der Welt hat und dieses unterstützt, sondern gesellschaftliche und politische Ziele verfolgt, wenn man den Sport stärkt.“
…die Kritik, dass die Maßnahmen als Versäumnis der Vergangenheit dienen und ob die Ankündigungen überhaupt umgesetzt werden:
„Ich bewerte die Erklärung des Bundes äußerst positiv, dass ein umfangreicher Ansatz gewählt wurde. Ich glaube allerdings auch, dass man in der Pandemiezeit Fehler gemacht hat, indem zunächst Sporthallen geschlossen wurden und der Sportunterricht als erstes Fach vielfach verboten wurde. Das war aus heutiger Sicht die eindeutig falsche Entscheidung. Deshalb wäre mein Appell gewesen, dass den Fachkräften wie den Sportlehrer_innen sicherlich Lösungen eingefallen wären, den Sportunterricht doch pandemiekonform durchzuführen. Der Sport hätte das große Problem lösen können, die Devise lauten müssen: Bewegung trotz Corona!
Ich glaube außerdem, dass eine Korrektur der Situation stattfindet. Das Schließen von Sporthallen, wie aktuell auch in der Klimakrise, kann sicher keine langfristige Lösung sein. Wir brauchen die Sporthallen und Schwimmbäder, um der Gesellschaft Bewegung und Ausgleich anzubieten. Das müssen wir anpacken. Deshalb sehe ich die Gipfelerklärung als positives Signal.“
…die Bedeutung des Sports und des Sportunterrichts:
„Die Pandemie hat es nochmals gezeigt: Nicht nur die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind bedeutsam, sondern insbesondere auch der Sport und die Gesundheit. Beides hat durch die Gipfelerklärung einen klaren Auftrag erhalten. Nämlich, dass sie wichtige Kernfächer in der Schule sind und der Sport nicht das dritte Rad am Wagen sein darf. Die Bedeutsamkeit des Sports soll künftig wieder in den Mittelpunkt gerückt werden.“
Zur Pressemitteilung des Bundes über den Bewegungsgipfel
Zur Homepage der Professur für Biomechanik im Sport
Kontakt:
Prof. Dr. Ansgar Schwirtz
Professur für Biomechanik im Sport
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24580
E-Mail: ansgar.schwirtz(at)tum.de
Text: Bastian Daneyko
Foto: Privat