Für ihre Doktorarbeit zum Themenfeld "Schulter-Verletzungsprävention in Überkopf-Wurfsportarten" wurde Dr. Julia Baldini (geb. Zandt) mit dem Promotionspreis des Bundes der Freunde der TU München ausgezeichnet. Die mit je 1.500 Euro dotierten Preise überreichte TUM-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann im Dezember an insgesamt sieben TUM-Promovenden. Die Preisverleihung fand im Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung des Bundes der Freunde der TU München im BMW Forschungs- und Innovationszentrum statt.
Dekan Prof. Schwirtz: "Auszeichnung keine Selbstverständlichkeit"
"Der Promotionspreis wird im jährlichen Wechsel an zwei Gruppen von Fakultäten vergeben. Wir ,konkurrierenʹ beispielsweise mit der Chemie und der Physik. Dass wir bei diesem - wenn man so will - Wettkampf der Fakultäten ebenfalls gewonnen haben, ist keine Selbstverständlichkeit", findet Prof. Dr. Ansgar Schwirtz. Der Dekan der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften betreute die Arbeit gemeinsam mit PD Dr. Peter Brucker von der Abteilung und Poliklinik für Sportorthopädie.
Interdisziplinäres Forschungsprojekt
Die Promotion mit dem Titel "Biomechanical evaluation of healthy shoulder joints in elite junior javelin throwers and volleyball players - The effectiveness of a 1-year preventive exercise intervention" entstand im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts. Beteiligt waren das Fachgebiet für Biomechanik im Sport von Prof. Schwirtz und die Abteilung und Poliklinik für Sportorthopädie von Prof. Andreas B. Imhoff. Von Januar 2010 bis Dezember 2011 wurde das Projekt vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften (BISp) mit 47 000 Euro gefördert.
Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland schätzungsweise mehrere Millionen Breiten- und Leistungssportler, die regelmäßig Überkopf-Wurfsportarten ausüben. Dazu zählen u.a. Sportarten wie Handball, Tennis, Volleyball, Badminton, Baseball, Wasserball und Speerwurf. Doch gerade für diese Disziplinen ist das Risiko einer Schulterverletzung besonders hoch.
"Bisher gibt es in der Verletzungsprävention nur wenige wirklich systematische Ansätze und anwendungsorientierte Programme. Die Studie ist weltweit die erste, die speziell die Schultergelenke von jugendlichen Speerwerfern mit klinisch-biomechanischen Methoden untersucht", resümiert die Preisträgerin. 2003 war die gebürtige Münchnerin Jugend-Europameisterin im Speerwurf, ehe mehrere Schulterverletzungen sie zum Karriereende zwangen.
Je 16 Volleyballer und Speerwerfer
Konkret erforschte die 30-Jährige nun, ob und inwiefern ein gezieltes Trainingsprogramm geeignet ist, um präventiv vor Verletzungen in Überkopf-Wurfsportarten zu schützen. Untersucht wurden je 16 Nachwuchs-Kaderathleten zwischen 16 und 18 Jahren aus dem Volleyball und Speerwurf.
3D-Bewegungsanalyse, Kraftdiagnostik, klinische Untersuchung und Magnetresonanztomographie
"Wir haben bewusst Speerwerfer und Volleyballer ausgewählt, weil diese Disziplinen gewissermaßen die beiden Extrempole der Überkopf-Wurfsportarten darstellen. Beim Volleyball wird eine sehr kurze Schlagbewegung gegen einen leichten Ball ausgeführt, beim Speerwurf eine lange Wurfbewegung mit einem schweren Gegenstand", berichtet Baldini.
Zu Beginn absolvierten die Probanden eine zweitägige Diagnostik bestehend aus einer 3D-Bewegungsanalyse des Schultergürtels sowie einer wurf-spezifischen Kraftdiagnostik. Die Mitarbeiter_innen der Poliklinik führten eine umfassende klinische Untersuchung und zusätzlich magnetresonanztomographische Bildgebung beider Schultergelenke durch. Letzteres erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Klinische Radiologie am Klinikum Großhadern der Ludwig Maximilian Universität (LMU).
Trainingsprogramm: Dehn - und Kräftigungsübungen
Anschließend erhielten die Sportler ein von Baldini literaturbasiert erstelltes Trainingsprogramm mit Dehnungs- und Kräftigungsübungen, das sie 12 Monate absolvierten.
Das Ergebnis: "Bei den Volleyballern sind sowohl die Zielparameter der Kraft als auch jene der Beweglichkeit besser geworden - ein aus Sicht der Verletzungsprävention wünschenswertes Ergebnis", sagt Baldini. Bei den jugendlichen Speerwerfern sei das Ergebnis allerdings weniger eindeutig, so die Projektleiterin. "Die Kraftwerte haben sich nicht signifikant verbessert, die Beweglichkeit ist sogar schlechter geworden. Dafür hat sich die Bewegungsausführung im Schultergürtel signifikant verbessert", erläutert die ehemalige Mitarbeiterin des Fachgebiets für Biomechanik.
Zahlreiche Publikationen - AGA-medi-Award
Bereits während des Projekts resultierten aus den Daten mehrere Publikationen, unter anderem drei Veröffentlichungen in reviewten Fachzeitschriften. "Die große Zahl der Veröffentlichungen dokumentiert auch die gute Zusammenarbeit der Forschungsgruppe", findet Schwirtz. 2013 erhielt die interdisziplinäre Gruppe - bestehend aus Zandt, Schwirtz, Brucker, Imhoff, Dr. Stefan Buchmann, PD Dr. Knut Beitzel und Dr. Kirsten Beitzel von der LMU - den mit 15 000 Euro dotierten AGA-medi-Award.
Transfer in die Praxis
In einem Beitrag für die Zeitschrift leichtathletiktraining des Deutschen Leichtathletik Verbandes veröffentlichte Baldini zudem den Trainingsplan. Der findet bereits rasche Verbreitung in der Praxis: "Ich weiß, dass inzwischen auch ein Volleyball-Bundesligist das Programm ergänzend einsetzt, ohne dass ich Kontakt mit ihnen gehabt hätte", so Baldini.
Darüber freut sich auch der Dekan der Fakultät: "Das Projekt dokumentiert in besonderem Maße unseren Anspruch, wissenschaftliche Ergebnisse in die Praxis zu transferieren."
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Kontakt
Prof. Dr. Ansgar Schwirtz
Fachgebiet für Biomechanik im Sport
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Telefon: 089 289 24581
E-Mail: Biomechanik.sp(at)tum.de