Der Lehrstuhl für Diversitätssoziologie von Ordinaria Prof. Elisabeth Wacker geht innovative Wege. Gemeinsam mit der Stadt Duisburg entwickelt Mitarbeiterin Stefanie Frings eine neuartige Evaluationsmethode für die Berichterstattung zur Lage beeinträchtigter und behinderter Menschen in der Stadt. Im Fokus des Modellprojektes steht die Frage, wie es zukünftig gelingen kann, Indikatoren zu finden und zu nutzen, die Teilhabe anzeigen. Dafür wird die bestehende Datenerfassung überprüft und weiterentwickelt. Die Stadt Duisburg fördert das Projekt bis Anfang 2015 mit 78 000 Euro.
Neuer Begriff von Behinderung
"Bisher gehen in die Statistiken der Behindertenberichterstattung nur quantitative Daten ein, denen ein eingeschränkter Begriff von Behinderung zu Grunde liegt", erklärt Frings. Als behindert gelte nur, wer einen Schwerbehindertenausweis habe, so die diplomierte Rehabilitationspädagogin. Der Lehrstuhl für Diversitätssoziologie fokussiert seine Betrachtungen dagegen auf die tatsächliche Lebenssituation. Denn ein neuer Begriff von Behinderung muss berücksichtigen, dass auch bestehende Rahmenbedingungen eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft massiv erschweren können. Dies verlangt auch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK). "Stark vereinfacht könnte man das so erklären: Wenn jemand eine Lernschwäche hat, kann er möglicherweise nur auf eine Förderschule gehen. Mit diesem Abschluss können dann auch nur bestimmte Berufe erlernt werden, die vielleicht gar nicht der Begabung und Neigung der Person entsprechen. Auch Handlungsräume werden so Lebensbereich-übergreifend vorgebahnt also beispielsweise, was man sich leisten kann, oder was man überhaupt kennt. Das ist gemeint mit ´Behindert-werden´ als Folge bestehender Strukturen", erklärt Frings.
Strukturelle Wechselwirkungen berücksichtigt
Die Neuausrichtung des Berichts der Stadt Duisburg soll daher nun vor allem Lebenslagen berücksichtigen. Sie dienen als Basis, um über Lebensqualität und Unterstützungsstrukturen bezogen auf die Diversitätsdimension "Behinderung" regelmäßig und zuverlässig zu informieren. Dafür werden Strukturen nicht isoliert betrachtet, sondern auch in ihrer Wechselwirkung jenseits einzelner Personen gesehen. Auf diese Weise sollen förderliche wie hinderliche Lebensumstände sowie ihre Wirkungszusammenhänge für beeinträchtigte Menschen ganzheitlich in den Blickpunkt gerückt werden. "Es geht beispielsweise nicht nur darum, wie viele Ausbildungsplätze es für Behinderte gibt, sondern auch, welcher Art diese sind. Besteht eine Möglichkeit auf Weiterbeschäftigung? Wie ist die Bezahlung? Ist die Tätigkeit auch inhaltlich akzeptiert? Ist der Ausbildungsplatz überhaupt erreichbar oder gibt es wesentliche Hindernisse? Solche Fragen wollen wir stärker betrachten", sagt Frings.
Dafür werden acht Kategorien überprüft, darunter "Bildung", "Arbeit" und "Freizeit, Kultur und Sport". Für jedes dieser Indikatorenfelder wird in einem ersten Schritt recherchiert, ob und wie sie bereits statistisch erfasst werden oder ob dies gegebenenfalls begonnen werden muss. Dann wird über eine Matrix eine Vergleichbarkeit zwischen den fünf Ebenen "kommunal", "städtisch", "regional" sowie auf Länder- und Bundesebene hergestellt. "Die Matrix hilft, bestehende Defizite zu identifizieren. Wir machen dann eine Lücken-Analyse und vergleichen den IST- mit dem SOLL-Zustand", so Frings. Langfristig sollen so nicht nur Möglichkeiten und Grenzen von Teilhabe nachhaltig beobachtet und angemessen beschrieben werden können, sondern auch Vergleiche verschiedener Städte ermöglicht werden. Mit diesem Erfassungs- und Bewertungsprogramm hat der Lehrstuhl für Diversitätssoziologie ein Know-how einzubringen, das die zukünftige Sozialberichterstattung neu justiert.
Partizipative Verfahren
Im Projektverlauf steht Frings während des ganzen Prozesses als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Mitarbeiterinnen der Diversitätssoziologie kooperieren bei der Datenbewertung und Indikatorenausformulierung. Eine Vorlage für die neue Sozialberichterstattung ist für Ende des Jahres geplant. Dann soll die Matrix gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, Sören Link, vorgestellt werden. Bis Anfang 2015 werden die gewonnenen Daten analysiert und können in den Sozialbericht einfließen.
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Weitere Informationen über das Forschungsprojekt
Kontakt:
Stefanie Frings
Lehrstuhl für Diversitätssoziologie
Uptown München, Campus D
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24466
E-Mail: Stefanie.Frings(at)tum.de