Prof. Dr. Heike Tiemann lehrt an der Universität Leipzig seit 2015 die Fächer Sportdidaktik und Bewegungspädagogik. Das Besondere an Prof. Tiemann ist, dass sie sowohl Sonderpädagogin als auch Gymnasiallehrerin ist und an beiden Schulformen gearbeitet hat, bevor sie ihre wissenschaftliche Laufbahn einschlug. Außerdem besitzt sie ein European Master's Degree in Adapted Physical Activity. Sie beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Thema Inklusion im Sport.
Auf dem Sportwissenschaftlichen Hochschultag der dvs wird Prof. Tiemann am Mittwoch, den 13. September (16:30 Uhr) einen Vortrag zu "Didaktik und Inklusion: Standpunkte, Kontroversen, Perspektiven" halten.
Frau Prof. Tiemann, was werden Sie in Ihrem Vortrag thematisieren?
"Seit 2009, seitdem die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland gilt, wird das Thema Inklusion nicht nur in Schulen, sondern ebenso in Hochschulen zunehmend diskutiert. Auch in der Forschung rücken Fragestellungen zum Thema immer stärker in den Mittelpunkt. In den vergangenen acht Jahren haben sich aber eine Reihe von gegensätzlichen Positionen herauskristallisiert: vor allem, wenn es um das Handlungsfeld Schule geht. Diese werde ich in meinem Vortrag aufgreifen und gegenüberstellen, um anschließend Perspektiven aus nationalen und internationalen Zusammenhängen zu diskutieren. Wichtig ist mir bei dem Vortrag aber genauso, diesbezügliche Blickwinkel von Lehrkräften zu berücksichtigen. Hierzu führe ich inzwischen im vierten Jahr eine Längsschnittstudie durch."
Hat sich seit Verabschiedung der UN-Konvention etwas geändert?
"Obwohl das Thema nun endlich auch in Forschung und Lehre angekommen ist, gehen strukturelle Veränderungen, aber auch ein anderer Umgang mit dem Thema nur langsam voran. Für den Sportunterricht eröffnen sich durch die Inklusion große Chancen. Zugleich ist es eine echte Herausforderung, allen Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht zu werden. Meine Erfahrung ist, dass sich Lehrkräfte oftmals noch schwer tun, sich im Sportunterricht an der Vielfalt zu orientieren. Viele Lehrkräfte haben dieses Thema aber für sich als solches angenommen und besuchen Fortbildungen mit diesem Schwerpunkt."
Muss es denn Ihrer Meinung nach eine neue Fachdidaktik für den Sportunterricht geben?
"Ich denke, es muss sehr anwendungsbezogen geschaut werden, was Lehrkräfte für einen guten oder verbesserten Unterricht benötigen. Vieles von dem, was sie an methodischen Kompetenzen für den inklusiven Sportunterricht benötigen, besitzen sehr viele Lehrkräfte bereits. Hier geht es oft nur um eine Bewusstmachung und den Bezug zu den vielfältigen Bedürfnissen ganz unterschiedlicher Kinder und Jugendlicher. Oft fehlt es an Ressourcen, eine zweite Lehrkraft im Sportunterricht ist beispielsweise äußerst selten."
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Interview: Sabine Letz
Foto: Prof. Dr. Heike Tiemann