Es sind Sekunden der Hochspannung. Um die Sportler_innen wird alles ruhig. Die Aufmerksamkeit fokussiert sich, die Muskeln spannen sich an. Atem stockt. Dann ertönt das Startsignal. Kein anderer Rennabschnitt ist beim Ski- und Snowboardcross ähnlich bedeutend wie der Start. "Fallstudien legen nahe, dass 70 Prozent der Fahrer, die beim Start vorn sind, in die nächste Runde kommen", erklärt Dr. Peter Spitzenpfeil, Leiter der Betriebseinheit Angewandte Sportwissenschaft.
BISp-Projekt in Kooperation mit Deutschem Ski Verband und Snowboard Germany
Doch: Was macht einen guten Start aus? Und was ist die beste Taktik und Technik auf den ersten Metern des Kurses? Im Rahmen eines Drittmittelprojekts wird Dr. Spitzenpfeil mit Maren Goll und Matthias Olvermann diesen Fragestellungen nachgehen. Dafür kooperiert die Angewandte Sportwissenschaft mit dem Deutschen Ski Verband und Snowboard Germany sowie dem Olympiastützunkt Bayern. Das Projekt wird vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) von Mai 2015 bis November 2016 mit 99.800 Euro gefördert.
Vier Starter_innen, Hindernisse, Sprünge und Zweikämpfe
Snowboardcross und Ski Cross zählen zu den sogenannten "jungen Sportarten" und sind seit 2006 (Snowboardcross) und 2010 (Ski Cross) olympische Disziplinen. Deutsche Sportler_innen gewannen bisher keine olympischen Medaillen.
In beiden Sportarten treten pro Lauf vier Athlet_innen gegeneinander an. Der/die Erste und Zweite jedes Laufes erreichen die nächste Runde. Nach dem gleichzeitigen Start wird ein Parkour mit Sprüngen und Steilkurven absolviert - ähnlich einer BMX-Bahn. Der unmittelbare Kontakt mit den Kontrahent_innen sorgt dabei für einen spektakulären Rennverlauf.
Keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Starttechniken und -taktiken
"Die Trainer sind an uns mit dem Wunsch herangetreten, Strategien wissenschaftlich zu untersuchen. Beispielsweise scheint das italienische Team eine besondere Starttechnik zu haben, indem die Boards oder Skier in der Startbox auf eine sehr große Vorspannung geklemmt werden. Aber ob das wirklich besser ist, weiß im Endeffekt eigentlich niemand", sagt Goll. "Bisher gibt es keine wirklich aussagekräftigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Starts in beiden Disziplinen. Die derzeitigen Empfehlungen beruhen eher auf den subjektiven Einschätzungen der Trainer", weiß Olvermann.
Die Untersuchung basiert auf zwei Hauptsäulen. Zunächst werden die Ergebnisse sämtlicher Läufe von den Olympischen Spielen in Sotschi sowie ausgewählten Weltcups analysiert. Dabei wird verglichen, welche Position die Erst- und Zweitplatzierten jedes Laufes in der ersten Kurve hatten. "Wir wollen damit erstmals auf Basis einer breiten Fallzahl wissenschaftlich überprüfen, wie groß die Bedeutung der Position nach dem Start tatsächlich ist", erläutert Spitzenpfeil.
Kinematische und kinetische Parameter zur Bewertung von Starts
Der zweite Teil umfasst dann die eigentliche Untersuchung des Starts. "Wir werden uns verschiedene Techniken und Taktiken anschauen und diese anhand von kinematischen und kinetischen Parametern klassifizieren", sagt Spitzenpfeil. Dafür wird in einer Skihalle ein Startgate aufgebaut. Für die Tests stehen die Kaderathlet_innen zur Verfügung. Geplant sind verschiedene Messungen. Beispielsweise wird der Arm-Abzug am Gate mit einem Kraftmesser ausgestattet, ein Vicon-System ermöglicht Weg-Zeit-Analysen. Die so gewonnenen Daten werden mit den bereits vorhandenen anthropometrischen und leistungsdiagnostischen Daten des Olympiastützpunkts zusammengeführt und ausgewertet.
"Unser Ziel ist es, eine Art Matrix zu entwickeln, in der verschiedene läufer- und geländespezifische Parameter mit Startstrategien verglichen werden und auf dieser Basis für jeden Athletentyp das Optimum ermittelt werden kann", so Olvermann.
Bereits in der Saison 2016 sollen die wissenschaftlich überprüften und auch neu entwickelten Techniken im Weltcup eingesetzt werden.
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Betriebseinheit Angewandte Sportwissenschaft
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