Prävention ist ein Gebiet, das in einer stetig alternden Gesellschaft eine enorme Bedeutung hat. Dementsprechend existieren bundesweit diverse unterschiedliche Angebote. Doch es gibt ein zentrales Problem: "Die meisten Präventionsprojekte werden schlecht bis gar nicht evaluiert. Überprüfungen beziehen sich außerdem zumeist nur auf kurzfristige Effekte - und sind damit eigentlich eher ungeeignet. Denn Prävention soll ja gerade langfristig wirken", erklärt Dr. Thorsten Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie. Einen ersten Schritt dies zu ändern, unternimmt nun der Lehrstuhl von Ordinaria Prof. Renate Oberhoffer.
500 000 Euro Förderung bis 2017 für Evaluationsprojekt
Im Rahmen eines interdisziplinären Verbundprojektes wird das Präventionsangebot "Skipping Hearts" evaluiert. Bis 2017 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Evaluationsprojekt mit insgesamt 500 000 Euro. Für das BMBF-Projekt kooperiert der Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie mit dem Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie der TUM sowie der Deutschen Sporthochschule Köln.
"Mit der Förderung dieses Projektes wird die wissenschaftliche Ausrichtung unseres Lehrstuhls - die Präventionsforschung im Kindes- und Jugendalter - anerkannt und unterstützt. Für die Fakultät, die sich in den kommenden Jahren dem Thema Prävention ganz besonders verschrieben hat, ist dieses Projekt das erste staatlich geförderte mit Außenwirkung für den Kinder- und Jugendbereich", freut sich Ordinaria Prof. Renate Oberhoffer.
"Skipping Hearts": bereits 150 000 Kinder erreicht
Seit 2006 bietet die Deutsche Herzstiftung "Skipping Hearts" kostenlos unter dem Motto "Seilspringen macht Schule" an Grundschulen an. Die Idee: Schulkinder sollen durch Seilspringen zu mehr Bewegung motiviert werden. So soll bereits frühzeitig das Risiko von Erkrankungen wie Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen gesenkt werden. Insgesamt haben bereits mehr als 150 000 Kinder an dem Programm teilgenommen, an mehr als 4400 Schulen. Doch: Wie effektiv ist "Skipping Hearts" wirklich?
Um das zu überprüfen wurde bereits im Schuljahr 2011/12 eine erste Evaluation vom Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie durchgeführt. Dafür wurden 1493 Skipping Hearts-Teilnehmer_innen vor sowie vier Monate nach der Intervention untersucht. "Wir haben hier kurzfristige positive Effekte auf Aktivität, Motorik und biomedizinische Gesundheitsparameter der teilnehmenden Kinder nachweisen können", erläutert Projektmitarbeiterin Tanja Poster. Über langfristige Effekte gebe es dagegen bisher keine Erkenntnisse, so Postler. Diese Forschungslücke soll nun durch das BMBF-Projekt geschlossen werden. Dafür wurde ein drei Säulen-Ansatz gewählt, mit einer innovativen Mehrmethodenkombination aus quantitativen und qualitativen Ansätzen.
Säule eins: Sportmotorische Diagnostik mit 16 Items
Die erste Säule beinhaltet eine Nacherhebung der bisherigen Stichprobe (n=1493) drei Jahre nach der Intervention. Überprüft wird, ob die positiven Effekte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe auch noch nach drei Jahren bestehen. Dafür werden anthropometrische, sportmotorische und kardiovaskuläre Parameter untersucht, indem Teilnehmer_innen von Skipping Hearts und der Kontrollgruppe eine 16 Items beinhaltende sportmotorische Diagnostik durchlaufen. Die beinhaltet unter anderem Werte wie Körpergröße und BMI, Körperfettanteil, Blutdruck oder Koordinations- und Ausdauerleistungen. Mittels eines Aktivitäts-/Motivationsfragebogens werden weitere Daten erhoben. Eine Teilstichprobe wird zudem einer objektiven Aktivitätsmessung mittels eines Akzelerometers unterzogen, der über eine Woche lang ganztägig jegliche Bewegung aufzeichnet.
Säule zwei: Befragung zur Verhaltensebene
Säule zwei widmet sich der Verhaltensebene: Schulleiter_innen und Lehrer_innen der am Programm beteiligten Schulen sowie Eltern der Kinder werden bezüglich eigener Veränderungen und Veränderungen ihrer Kinder in einem quantitativen Fragebogen und qualitativen Interviews befragt.
Säule drei: Evaluation der Verhältnisprävention
Säule drei fokussiert dagegen die Verhältnisprävention: durch eine Befragung aller Projekt-Schulen können mögliche Änderungen der vorliegenden Strukturen erfasst werden. Erhoben wird beispielsweise, ob Rope Skipping auch (lange) nach dem Projekt noch in den Schulalltag integriert wird - sei es in angeleiteter Form im Sportunterricht oder als Pausenbeschäftigung der Kinder: Liegen Sprungseile aus und wie werden sie genutzt? Zusätzlich werden für Gesundheitsförderung zuständige Mitarbeiter_innen von Kultusministerien der an "Skipping Hearts" teilnehmenden Bundesländer interviewt, um Informationen über eine langfristige Verankerung und Förderung eines solchen Präventionsprogrammes zu erhalten.
Das BMBF-Projekt wird bis Ende März 2017 gefördert. "‘Skipping Hearts’ hat kurzfristig einen guten Effekt auf das Gesundheitsverhalten von Schülern und Lehrern, und weist eine hohe Akzeptanz auf. Wenn sich auch längerfristige Auswirkungen zeigen, könnte es flächendeckend eingesetzt werden", sagt Prof. Oberhoffer.
Zur Homepage des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie
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Kontakt:
Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie
Dr. Thorsten Schulz
Georg-Brauchle Ring 62
80992 München
Telefon: 089 289 24574
E-Mail: Thorsten.Schulz@tum.de