Rund eine Million Menschen mit Beeinträchtigungen leben in Deutschland in stationären Einrichtungen. Von diesen wohnt etwa ein Fünftel in Institutionen der Eingliederungshilfe, die seit 2020 als besondere bzw. gemeinschaftliche Wohnformen bezeichnet werden. Diese sollen für Menschen mit Behinderung Leistungen personenzentriert liefern, da sie dort zu einem Großteil ihren gesamten Alltag verbringen und Assistenzleistungen erhalten, wie z. B. Hilfe bei der Haushaltsführung, der Lebensplanung oder der Freizeitgestaltung.
Ein neues Projekt des Lehrstuhls für Diversitätssoziologie von Ordinaria Prof. Dr. Elisabeth Wacker lautet: „Die Corona-Pandemie in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung. Momentaufnahmen und Zukunftsplanung zu Gleichstellung und Teilhabe bei der Gesundheitssorge im Jahr 2020“, kurz „Wohnen in Gesundheit: WoGe2020“. Darin wird untersucht, wie in den unterschiedlichen besonderen Wohnformen Aufgaben von Gesundheitssorge verbunden mit Ansprüchen auf soziale und gesellschaftliche Teilhabe und Gleichstellung zu Zeiten der COVID-19-Pandemie umgesetzt wurden und werden. Im Fokus stehen dabei zum einen die Bewohner_innen der besonderen Wohnformen (Menschen mit Behinderung und chronisch psychisch kranke Menschen), zum anderen das in den Wohnformen tätige Fachpersonal, insbesondere soziale, medizinisch-therapeutische, pädagogische und pflegende Dienste. Das Projekt hat eine Laufzeit von einem Jahr und wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert.
„Anhand dieses Vorhabens wollen wir wahrnehmen, an welchen Punkten in besonderen Wohnformen positive oder auch negative Erfahrungen gemacht wurden“, erklärt Prof. Wacker. „Die Verfahren, mit der COVID-19-Pandemie im Anfangsstadium umzugehen, waren deutschlandweit sehr unterschiedlich, weshalb wir nun versuchen, eine Analyse zu erstellen, welche Lösungswege sich bewährt haben. Zudem wird anhand des Projekts untersucht, mit welchen Maßnahmen, Risiken und Notlagen die Einrichtungen je nach Versorgungsregion arbeiten mussten.“
Im ersten Schritt werden die registrierten Angebote der Eingliederungshilfe zu besonderen Wohnformen direkt oder über ihre Fachverbände kontaktiert und zur Teilnahme an der Erhebung eingeladen. Um auf die besonderen Bedürfnisse der Bewohner_innen eingehen zu können, werden individuelle Fragebögen-Formen mit passgenau gefassten Fragenfeldern entwickelt. „Unser Ziel ist es, bundesweit insgesamt 100 qualitative Befragungen mit dem Personenkreis der Bewohnerinnen und Bewohnern zu führen. Dafür wird eine Mischform mit Interviews vor Ort und der Möglichkeit des Telefoninterviews verwendet“, so Prof. Wacker. „Anhand der qualitativen Befragung versuchen wir, möglichst nah am Leben der Menschen zu bleiben. Wir möchten den Alltag bestmöglich abbilden und Handlungsfelder abfragen.“
Im zweiten Schritt sollen dann bundesweit fünf bis sieben Formate von Einrichtungen untersucht werden, die sich unter anderem nach Größe, aber auch regionalen Besonderheiten unterscheiden. „Wir wollen hier unter anderem die Trägervielfalt abdecken. Die Stichprobe wird deshalb so lange angereichert, bis eine gewisse Sättigung vorhanden ist“, erläutert Prof. Wacker die Vorgehensweise. Im Fokus stehen dabei die Mitarbeiter_innen der Einrichtungen, die unterschiedlich qualifiziert sind. Dazu gehören Pfleger_innen, Helfer_innen, Reinigungs- und Essensdienstpersonal, aber auch ärztliches und fachmedizinisches Personal, ambulante Dienste sowie das Management. „Im Idealfall wollen wir die Personen erreichen, die möglichst nah an den Bewohnerinnen und Bewohnern dran sind.“ Diese sollen dann in Fokusgruppen und strukturierten Gesprächsrunden spezifisch zur Situation während der COVID-19-Pandemie befragt werden. Dabei sollen insbesondere Alltagserfahrungen beschrieben werden.
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Kontakt:
Prof. Dr. Elisabeth Wacker
Lehrstuhl für Diversitätssoziologie
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24460
E-Mail: Elisabeth.Wacker(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: Pixabay/privat