Wie hat sich sich das Fußballspiel durch die Corona-Pandemie verändert? Dieser Frage ging eine Studie des Lehrstuhls für Trainingswissenschaft und Sportinformatik nach, bei der die Auswirkungen der besonderen Wettkampfbedingungen – insbesondere fehlende Zuschauer – auf die Spielstruktur in der Fußball-Bundesliga und der 2. Fußball-Bundesliga untersucht wurden. Es konnte gezeigt werden, dass sich sowohl taktische und physiologische Leistungsparameter als auch das Kontaktverhalten der Spieler veränderten.
Durchgeführt wurde die Studie von Dr. Daniel Link, Privatdozent am Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik. Veröffentlicht wurde die Studie mit dem Titel „How the COVID-19 Pandemic has Changed the Game of Soccer“ im „International Journal of Sports Medicine“, das einen Impact Factor von 3,1 hat.
Als Basis dienten Daten von 1.863 Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga in den Spielzeiten 2017/18 bis 2019/20, die von der Deutschen Fußball Liga (DFL) zur Verfügung gestellt wurden. „Wir hatten die Gelegenheit, Spielerverhalten auf einer weltweit einmaligen Datenbasis zu untersuchen“, so PD Dr. Link. „Die Studie basiert auf Spielerpositionen, die in jedem Stadion von bis zu 20 Kameras rund um das Spielfeld erhoben werden“, erläutert Gabriel Anzer, der als Mitarbeiter der DFL Tochter Sportec Solutions AG die Analyse der Daten unterstützt hat.
Da Leistungsparameter von Fußballspielern saisonal beispielsweise durch höhere Temperaturen in den Sommermonaten beeinflusst werden, verglichen die Autoren die Daten nach dem Neustart mit denen der gleichen Spieltage der vorangegangenen Spielzeiten. Auf Basis der Spielerkoordinaten wurden die Zeiten bestimmt, in denen sich Spieler in einer Distanz von weniger als zwei Metern zueinander befanden. Es zeigt sich, dass diese Kontaktzeiten sowohl zu den Mitspielern als auch zum Gegner tendenziell zurückgingen. Das Ausmaß ist je nach Spielsituation unterschiedlich: Während sich Kontaktzeiten des ballführenden Spielers im letzten Drittel nicht veränderten, kann in den ersten beiden Spielfelddritteln ein Rückgang um 8,2 Prozent in der Bundesliga und 14,4 Prozent in der 2. Bundesliga festgestellt werden. „Natürlich können wir nicht in die Köpfe der Spieler hineinschauen, aber dass die Spieler versuchten, Kontakte zu reduzieren, wenn diese in der Spielsituation nicht unbedingt erforderlich waren, erscheint durchaus plausibel“, so Link.
Weitere Ergebnisse zeigen Veränderungen im taktischen wie im physischen Bereich. Die Auswirkungen auf die 2. Bundesliga sind hierbei wesentlich größer. „Möglicherweise konnten die Teams der Bundesliga die neuen Rahmenbedingungen besser kompensieren“, vermutet Link. In der 2. Bundesliga könnte die gestiegene Anzahl von Pässen (+15,2 Prozent) als Tendenz zu einem schnelleren Passspiel in den eigenen Reihen, mit der Absicht, den Ball länger zu halten, gedeutet werden. Dazu passt die geringere Anzahl von überspielten Gegenspielern per Pass (Packing) (-14,7 Prozent), die ebenfalls auf ein weniger risikoreiches Spiel schließen lässt. Auffallend ist die deutlich höhere Erfolgsquote bei langen Pässen (+15,6 Prozent). Ursächlich dafür könnte gewesen sein, dass weniger Druck auf den Passempfänger (-8,6 Prozent) ausgeübt wurde.
Zur Homepage des Lehrstuhls für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Zum Artikel „How the COVID-19 Pandemic has Changed the Game of Soccer” im Journal „International Journal of Sports Medicine“
Kontakt:
PD Dr. Daniel Link
Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24498
E-Mail: Daniel.Link(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: "International Journal of Sports Medicine"/privat