Seit 2006 war Prof. Dr. Jürgen Beckmann Ordinarius des Lehrstuhls für Sportpsychologie an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften. Zum 31. März 2021 wurde der habilitierte Psychologe offiziell von der TU München in den Ruhestand verabschiedet.
Nach dem Studium der Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum (1981), wurde er an der Universität Mannheim im Fach Psychologie 1984 promoviert und 1988 habilitiert. Ab 1984 war er Projektleiter am Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung in München. 1990 erhielt er ein Heisenberg-Stipendium der DFG und war im Jahr 1993 an der Florida Atlantic University tätig. Nach einer Berufung auf die Professur für Sportpsychologie an der Universität Potsdam (1997) übernahm er 2006 den Lehrstuhl für Sportpsychologie an der TUM. Seit 2006 war er Mitglied des Fakultätsrates. Von 2007 bis 2013 war er Dekan der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften.
Prof. Beckmann hat im Laufe seiner Karriere über 220 Publikationen veröffentlicht und ist einer der meistzitierten Sportpsychologen weltweit. Sein h-Index, eine Kennzahl für die weltweite Wahrnehmung eines Wissenschaftlers in Fachkreisen, liegt bei 39. Das bedeutet, dass 39 seiner Publikationen mindestens 39-mal zitiert wurden. Der i10-Index liegt bei 93. Dieser Wert besagt, wie viele Veröffentlichungen sich mindestens zehnmal auf Publikationen berufen haben. Laut Google Scholar wurde er bislang insgesamt über 7.000-mal zitiert.
Im Interview spricht Prof. Beckmann über seine Zeit an der TUM, die Entwicklung der Sportpsychologie und seinen (Un-)Ruhestand seit 1. April 2021.
Lieber Herr Prof. Beckmann, Sie waren seit 2006 an der TUM. Was hat Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Spaß gemacht?
„Die Möglichkeiten, mit wirklich hervorragenden Kolleginnen und Kollegen in ganz unterschiedlichen, sehr innovativen Bereichen zu forschen, fand ich extrem spannend. Neue Gebiete aufzubauen, wie die Psychokardiologie, hat mir zudem sehr, sehr viel Spaß gemacht. Auch der Kontakt zu den Studierenden war immer sehr interessant.“
Sie waren von 2007 bis 2013 Dekan der Fakultät – wie haben Sie diese Zeit erlebt?
„Ich habe mich nie als jemanden gesehen, der einen Verwaltungsjob ausübt, sondern ich habe mich immer in erster Linie als Forscher wahrgenommen. Darin steckt mein Herzblut. Ich wurde damals von TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann in die Pflicht genommen und habe klare Zielsetzungen bekommen. Unter anderem habe ich die Vorgabe erhalten, die Fakultät auf zwölf Professuren zu erweitern, was wir Anfang 2011 dann auch vorweisen konnten. Ich hatte insbesondere die Aufgabe, mehr Stringenz in die Fakultät zu bekommen, da damals einiges nicht besonders gut lief. Natürlich gab es sehr, sehr viele Widerstände gegen die entsprechenden Entwicklungen hin zu mehr Internationalität und mehr Wissenschaftlichkeit, die mir vorgegeben wurden, aber natürlich auch meinen eigenen Vorstellungen entsprochen haben. Das hat schon sehr an meinen Nerven gezehrt. In meine Zeit als Dekan fiel auch die Erweiterung der Fakultät für Sportwissenschaften in die Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften, die vom Präsidenten der TUM sehr unterstützt wurde. Das war eine gute Entwicklung, die auch aus der Sportwissenschaft gut mitgetragen wurde.“
Was waren die schönsten Momente an der Fakultät?
„Ich habe mich immer darüber gefreut, wenn ich gute Studierende hatte, die eine super Promotion absolvierten und das dann auch honoriert wird, wie im Fall von Vanessa Wergin. Was sie mittlerweile an Preisen gewonnen hat, ist schon außergewöhnlich.“
Wie hat sich die Sportpsychologie während Ihrer wissenschaftlichen Karriere verändert?
„Es war mir ein großes Anliegen, mit meinem wissenschaftlichen Hintergrund die Sportpsychologie zu einem angesehenen akademischen Fach zu machen und es als solches zu etablieren. Seit den 1980er Jahren gab es eine Entwicklung von der wissenschaftlich reflektierten zu einer wissenschaftlich begründeten Sportpsychologie. Wir haben sie als wissenschaftliches Fach implementiert und erbringen mit angesehenen wissenschaftlichen Methoden fundierte Erkenntnisse, die auch international angesehen sind. Gleichzeitig habe ich versucht, die Ausbildung bis hin zur Approbation von Sportpsychologen voranzutreiben. Dabei war mir wichtig, dass wesentliche Elemente aufgenommen werden, die ich für die fundierte Arbeit eines Sportpsychologen für maßgeblich halte. Aktuell versuchen wir nun, auf europäischer Ebene eine entsprechende Lizenz für Sportpsycholog_innen zu bekommen.“
Wie hat sich die Sportpsychologie während Ihrer Zeit an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der TUM verändert?
„Wir haben uns natürlich verändert. Wir haben neue Gebiete entwickelt. Als ich 2009 die Diplomarbeit von Insa und Raphael Nixdorf übernommen habe, haben wir begonnen, die klinische Sportpsychologie zu entwickeln. Das war ein absolut neues Feld und da gehören wir weltweit mit zur Spitze. Unsere Publikation aus dem Jahr 2013 im ‚Journal of Clinical Sport Psychology‘ ist mittlerweile eine Standardpublikation geworden, die schon etwa 150-mal zitiert wurde. Wir haben hier ein neues Feld beschritten, bei dem wir immer wieder gefragt und auch zu Keynotes eingeladen worden sind. Mein ursprüngliches Interesse ist es zudem gewesen, neurowissenschaftlich zu arbeiten, weshalb sich in meiner Zeit an der TUM in dem Bereich ebenfalls Änderungen ergeben haben. Mit der Einstellung von Fernando Cross-Villasana und später Arash Mirifar sind wir dabei sehr, sehr weit gekommen. Wir haben bahnbrechende Forschungen entwickelt, die teilweise etablierte Annahmen in der Psychologie im Grunde genommen widerlegt haben, und haben neuere Ansätze dazu entwickelt. Wir haben wiederum Neuland betreten mit der Frage, ob man die neuen Erkenntnisse im Bereich der Neurowissenschaften auch für mentales Training mittels Neurofeedback nutzen kann. Wir sehen hier Ansätze und Potential in dem Bereich. Insofern finde ich es sehr traurig, dass die TUM sich dazu entschieden hat, die Sportpsychologie nicht weiterzuführen, da wir als Lehrstuhl in den beiden Bereichen Klinische Sportpsychologie und Neurofeedback weltweites Ansehen erlangt haben."
Derzeit laufen noch Projekte Ihres Lehrstuhls – welche Projekte sind das und welche Laufzeit haben diese?
„Zum einen läuft aktuell noch das Projekt Digimed Bayern, das vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bis 2023 gefördert wird. Dazu das Projekt ‚Umgang mit Satzverlusten und Niederlagen im Beachvolleyball‘ mit der Förderung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft bis 2021, in das Frau Dr. Vanessa Wergin und Wiebke Hähl eingebunden sind. Das dritte Projekt ‚Go Green Cities‘ mit einer Laufzeit bis 2024 haben wir mittlerweile an Frau Prof. Demetriou und ihre Professur für Sport- und Gesundheitspädagogik abgegeben, da das für uns nicht mehr leistbar war. Aktuell haben wir nun noch ein neues Projekt mit dem Titel ‚Analyse von Posttraumatischer Belastungsstörung bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (ABS-AHF): Die Vorbereitung für ein holistisches Versorgungskonzept‘ bewilligt bekommen, das von der Deutschen Herzstiftung bis 2023 gefördert wird. Zudem gebe ich ab diesem Jahr mit meinem Bochumer Kollegen Michael Kellmann zusammen die ‚Advances in Recovery and Stress Research‘ beim Londoner Routledge Verlag heraus.“
Sie verabschieden sich jetzt noch nicht gänzlich in den Ruhestand – welche neuen Herausforderungen stehen für Sie in nächster Zeit an?
„Ich habe nach wie vor viele Ideen, insbesondere interessiert mich der Bereich ‚Sinn erleben‘ sehr, in dem ich sicherlich noch einiges machen werde. Zum anderen ist mir die humanitäre Psychologie und der Humanismus in der Welt sehr wichtig. Ich habe die Chance geboten bekommen, eine Akademie aufzubauen, die Human Relations 2.0 beinhaltet. Ich beschäftige mich seit dem 1. April 2021 mit der Personalentwicklung der Firma starcode GmbH. Insbesondere möchte der Inhaber, dass ich die Young Talents für Führungspositionen fit mache. Ich soll Schritt für Schritt eine Führungskräfte-Akademie entwickeln, die Selbsterfahrung als zentralen Gegenstand hat und dafür auch sportliche Erfahrung nutzen soll. Zudem sieht der Inhaber Wertschätzung als zentrales Kulturelement seiner Firma. Das finde ich toll.“
Gibt es Hobbys, denen Sie ab sofort noch mehr nachgehen werden?
„Ich werde in Zukunft sicherlich mehr reiten. Dazu kommt noch Golf, das werde ich hoffentlich etwas mehr spielen als früher. Was ich definitiv mehr mache, ist mehr Fitness. Ich habe mir im Keller einen Fitnessraum eingerichtet, den ich jeden Tag benutze. Zudem mache ich auch wieder mehr Musik. Ich habe in den 1980er Jahren abends am Freien Musikzentrum München Jazz studiert und in Burghausen in diversen Bands gespielt. Seit ich ein eigenes Tonstudio im Keller habe, nehme ich selbst Musik auf und spiele alle Instrumente bis auf Schlagzeug selbst. Am besten kann ich Gitarre spielen. Für meine Hobbys hatte ich insbesondere während meiner Tätigkeit als Dekan überhaupt keine Zeit. Umso mehr freue ich mich darauf, diesen wieder mehr Zeit widmen zu können.“
Zum Abschluss: Auf welchen Skipisten werden wir Sie in Zukunft häufiger antreffen?
„Das für mich am nächsten gelegene Skigebiet ist Brauneck. Da werde ich in der nächsten Saison wahrscheinlich wieder des Öfteren sein, insofern die Pandemie es zulässt. Für mich sind immer eine schnelle Erreichbarkeit und möglichst kein großes Gedränge wichtig. Das erreiche ich dann, wenn ich unter der Woche und möglichst früh gehen kann.“
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Beckmann
Arbeitsgruppe Sportpsychologie
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
E-Mail: juergen.beckmann(at)tum.de
Text/Interview: Romy Schwaiger
Foto: privat