Anfang Oktober wurde der neueste Artikel von Chaise Murphy, bis vor kurzen Doktorand in unserer Arbeitsgruppe, und Prof. Karsten Köhler im Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports veröffentlicht. Die Ergebnisse des Beitrags mit dem Titel „Energy deficiency impairs resistance training gains in lean mass but not strength: A meta-analysis and meta-regression“ finden sich inzwischen nicht mehr allein in Forscherkreisen, auch in Blogs und Twitter war der Artikel bereits Thema.
Energiemangel entsteht, wenn Personen im Verhältnis zu ihrem täglichen Energieverbrauch zu wenig Energie in Form von Nahrung (und Flüssigkeit) zuführen. Kurzfristige Energiedefizite (ED) beeinträchtigen anabole („aufbauende“) Hormone sowie die Muskelproteinsynthese, sprich den Aufbauprozess von Muskelmasse. Inwieweit längere Energiedefizite die Ergebnisse von Widerstandstraining (Resistance Training, RT) beeinflussen, ist jedoch noch weitestgehend unerforscht. Daher untersuchte Dr. Murphy im Rahmen seiner aktuellen Publikation ob und inwieweit das Vorhandensein eines nahrungsinduzierten Energiemangels, sprich einem Defizit, das durch die Verringerung der Nahrungszufuhr erreicht wurde, Trainingsreaktionen, die durch Widerstandstraining ausgelöst wurden, abgeschwächt werden.
Im Anschluss an die systematische Literaturrecherche mittels PubMed and SportDiscus nach geeigneten Studien wurden zwei Analysen durchgeführt: Mittels Analyse A, einer Metaanalyse, wurden Veränderungen der fettfreien Masse (Magermasse des Körpers, d.h. Körpergewicht abzüglich Speicherfett) und der Kraft als Folge von Krafttraining mit Energiedefizit (RT+ED) und ohne Energiedefizit (RT+CON) untersucht. Diese Analyse inkludierte folglich nur randomisierte kontrollierte Studien, sprich Studien mit einer Kontrollgruppe ohne Energiedefizit. Nachdem nur wenige Studien mit Kontrollgruppe existieren, wurden in einer Sekundäranalyse, Analyse B, auch Studien ohne Kontrollgruppe untersucht und hinsichtlich der Teilnehmer- und Interventionscharakteristika mit separaten RT+CON-Studien abgeglichen. Weiter wurden die Zuwächse in LM und Kraft zwischen RT+ED und RT+CON qualitativ verglichen. Anschließend wurden die beiden Analysen in einer Meta-Regression zusammengefasst, um die Beziehung zwischen dem Ausmaß des Energiedefizits und der fettfreien Masse zu untersuchen. Die Meta-Regression zeigte, dass ein Energiedefizit von etwa 500kcal pro Tag die Zunahme an fettfreier Masse verhinderte.
Für Kraftsportler heißt das folglich, dass sie ein längeres Energiedefizit dann vermeiden sollten, wenn die Muskelmasse aufbauen wollen. Um während einer Gewichtsabnahme die Muskelmasse zu erhalten, sollten sie darauf achten, dass sie ein Energiedefizit von mehr als 500 kcal pro Tag vermeiden. Außerdem zeigten die Ergebnisse beider Analysen, dass Krafttraining mit Energiedefizit den Kraftzuwachs nicht beeinträchtigt.
Die Frage „Kann ich gleichzeitig Muskeln aufbauen und Gewicht verlieren?“ stellen sich Kraftsportler nicht erst seit kurzem, daher ist es nicht verwunderlich, dass die Ergebnisse von Dr. Murphy für Aufmerksamkeit im Internet gesorgte haben und unter anderem in einem sehr hochfrequentierten Blog für Sportwissenschaft und Sporternährung, mysportscience.com, aufgegriffen wurden. Außerdem hat es Dr. Murphy damit in die sozialen Medien geschafft und so findet man den Artikel z.B. auch auf Twitter oder LinkedIn.
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