Körperliches Training stimuliert Anpassungen, die unsere Fitness und Gesundheit verbessern. Insbesondere in der deutschsprachigen Literatur wurde die Idee der Superkompensation als Gesetz der Anpassung und teilweise sogar als Mechanismus der Anpassung beschrieben. Aber ist diese Ansicht noch zeitgemäß? Der Begriff „Superkompensation“ (siehe Abbildung 1) wurde ab den 1960er Jahren in Deutschland nicht nur dazu benutzt, um den Zeitverlauf spezifischer Anpassungsvariablen wie Glykogen zu beschreiben, sondern von Jakowlew zum Gesetz der Anpassung erklärt. Es ist jedoch problematisch, hier von einem Gesetz zu sprechen, denn während die Glykogen-Konzentration einem Superkompensations-Zeitverlauf folgt, gibt es viele andere Variablen – wie das Herz oder Kapillaren - die dies nicht tun. Zudem beschreibt die Superkompensations-Idee keinen Mechanismus.
Wenn nicht Superkompensation, was dann? Viele experimentelle Studien seit den 1980er Jahren belegen, dass Anpassung durch Signaltransduktion in drei Schritten geschieht. Diese drei Schritte sind (siehe Abbildung 2):
- Wahrnehmung von Belastungsreizen wie veränderten Kalziumkonzentrationen oder mechanischer Beanspruchung von Sensorproteinen z.B. in einer Muskelfaser. Diese Sensorproteine sind wie die Augen und Ohren der Zelle,
- Belastungsreiz-stimulierte Sensorproteine regulieren dann Signaltransduktionsproteine, die die Information z.B. über Phosphorylierung und Dephosphorylierung weiterleiten und analysieren. Diese Signaltransduktionsproteine sind wie ein zelluläres Gehirn.
- Regulation von molekularen Anpassungen wie z.B. dem An- und Ausschalten von Genen oder der Proteinsynthese durch Signalproteine. Die molekularen Anpassungen sind in der Summe die Anpassung des Körpers an körperliches Training
Aus den genannten Gründen empfehlen wir, in Zukunft nur noch dann von „Superkompensation“ zu sprechen, wenn eine gemessene Variable einen Zeitverlauf wie Glykogen während und nach Belastung hat. Als Mechanismus der Anpassung sollte in Zukunft vor allem Anpassung durch Signaltransduktion in drei Schritten gelehrt werden, da diese jetzt experimentell gut belegt ist.
Dies und mehr gibt es in unserem aktuellen Podcast Episode 006. Die wichtigsten Punkte gibt es auch barrierefrei zum Nachlesen.