Eine rote Hose mit Blumenmuster, dazu eine gelb-grün-blau-weiß-gestreifte Jacke und eine rote Mütze. Anna Schaffelhuber schaut kritisch. Dann fährt die Skiläuferin mit ihrem Rollstuhl vor einen kleinen Spiegel und betrachtet sich. Am Montag, den 18. Februar, wurden an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaft die Ski Alpin und Snowboard Athlet_innen offiziell für die 11. Paralympischen Winterspiele eingekleidet. Mit dabei: Dr. Peter Spitzenpfeil. Der Leiter der Betriebseinheit für Angewandte Sportwissenschaft wird das Team als wissenschaftlicher Berater und Leistungsdiagnostiker nach Sotschi begleiten.
Mehr als 70 Kleidungsstücke - ein Sitzkissen
Vom 7. bis 13. März messen sich rund 700 Sportler aus 45 Nationen in Sotschi und Krasnaja Poljana. Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) hat 13 Sportler_innen nominiert, die von einem Funktionsteam aus 27 Trainer_innen, Betreuer_innen und Ärzt_innen begleitet werden. Dafür erhält das komplette Team die gleiche Bekleidung, wie die Mannschaft der Olympischen Spiele. Konkret bedeutet das: zwei große Taschen mit insgesamt mehr als 70 Kleidungsstücken von Adidas, Bogner und Sioux. Allein sechs verschiedene Mützen stehen zur Auswahl, Jacken für alle Temperaturen und Anlässe, ein edler Anzug, etliche Funktions-T-Shirts, dazu Handschuhe, Schals, Socken, mehrere paar Schuhe, eine Sonnenbrille, eine Nackenstütze sowie ein Sitzkissen. Für die Spiele überlassen die Ausstatter nichts dem Zufall.
Bogner und Adidas
Exakte Vorgaben bekommen die Teilnehmenden auch, was wann zu tragen ist. "Zum Einmarsch muss Bogner getragen werden, an den Sporthängen Adidas. Steht ein Athlet am Medal Plaza auf dem Treppchen wiederum Bogner, als Zuschauer Adidas", erläutert Bundestrainer Justus Wolf. Wie oft seine Sportler_innen das Podium besteigen, will er nur vage prognostizieren. "Wir haben uns bewusst keine Medaillenvorgaben gesetzt, hoffen aber auf zehn plus x", so Wolf.
Eine der Topfavoritinnen ist Anna Schaffelhuber, der die rote Hose schon nach kurzer Zeit besser gefällt. Die 21-jährige Jura-Studentin hat in dieser Saison den Gesamtweltcup in den Disziplinen Slalom und Riesenslalom gewonnen. Bei 16 Starts triumphierte sie 15 Mal. Schaffelhuber startet in den fünf Ski-Disziplinen, das Ziel der mehrfachen Weltcupsiegerin ist klar: "Ich möchte Gold gewinnen. Aber am Tag x muss dafür alles stimmen", sagt die Niederbayerin. Dafür greift sie auch auf die Expertise der Betriebseinheit für Angewandte Sportwissenschaft zurück. Leiter Peter Spitzenpfeil ist wissenschaftlicher Berater für die Alpin-Sparte des deutschen Skiverbandes um Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch und Felix Neureuther. Dort gewonnene Erfahrungen, etwa im Bereich Leistungsdiagnostik und Training, bringt der 47-Jährige direkt beim Behindertensportverband ein, unterstützt die Trainer_innen mit seiner Expertise und leitet zwei BISp-Projekte.
GPS-Messungen zeigen die Ideallinie
Ausgestattet mit GPS-Geräten, fahren die Skifahrer_innen ihre Rennstrecken. Aus den aufgezeichneten Daten können dann Modellierungen der Pisten gewonnen werden. So wurde beispielsweise bereits im Vorfeld die Strecke in Sotschi vermessen, Geländeprofile angelegt und die Kurssetzung analysiert. "Wir haben dadurch bemerkt, dass die Strecke sehr ähnliche Bedingungen hat wie in Garmisch. Nämlich zum Einstieg ein Steilstück und dann aber auch eine sehr flache Passage", erklärt Spitzenpfeil. So konnten die Belastungen im mehr als 2000 Kilometer entfernten Krasnaja Poljana vor der Haustüre simuliert werden. "Außerdem können wir durch die GPS-Messungen Linien analysieren und vergleichen. Wir sehen dann, wer an welcher Stelle mehr Geschwindigkeit aufbauen kann und welche Linie die schnellste ist", erklärt Schaffelhuber.
Zudem vermessen die Wissenschaftler_innen die Belastungen auf den Dämpfer des Monoskis. "Wir wissen bisher nur sehr wenig: was ist eine gute Abstimmung, was eine schlechte?", erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maren Goll. Auf der Grundlage der gewonnenen Daten könnten die Dämpfer künftig präziser auf die Anforderungen der einzelnen Disziplinen und Strecken abgestimmt werden. Schaffelhuber ist von der Zusammenarbeit mit der Betriebseinheit begeistert: "Wir sind mit dem GPS-Ansatz sehr innovativ. Außer uns macht solche Messungen keine andere Nation", sagt die 21-Jährige, die ihre zunächst kritische Haltung gegenüber der Kleidung längst aufgegeben hat. Seit über einer Stunde trägt sie nun die rote Hose. Zu dem Outfit perfekt passen könnte eine Goldmedaille aus Sotschi.
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Kontakt:
Dr. Peter Spitzenpfeil
Betriebseinheit für Angewandte Sportwissenschaft
Connollystraße 32
80809 München
Telefon: 089 289 24562
E-Mail: Peter.Spitzenpfeil@tum.de