Obwohl die Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs in Deutschland seit Jahrzehnten rückläufig ist, ist sie im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern immer noch leicht erhöht. Im Jahr 2020 gab es 4.666 Neuerkrankungen und 2.075 Todesfälle durch das Zervixkarzinom, was einer altersstandardisierten Inzidenz- und Mortalitätsrate von 9,6 bzw. 4,2 pro 100.000 Frauen entspricht.
Der Lehrstuhl für Epidemiologie von Prof. Dr. Stefanie Klug hat nun im Journal „PLOS ONE“, das einen Impact Faktor von 3,240 hat, eine Studie mit dem Titel „Impact of opportunistic screening on squamous cell and adenocarcinoma of the cervix in Germany: A population-based case-control study“ veröffentlicht.
Dabei wurden im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie die Inanspruchnahme der opportunistischen Krebsvorsorge und verschiedene weitere Risikofaktoren sowie deren Zusammenhang mit Gebärmutterhalskrebs in Deutschland untersucht.
Die Ergebnisse basieren auf der TeQaZ-Studie (Fall-Kontroll-Studie zur Häufigkeit der Teilnahme an der Krebsvorsorge und zur Qualität der Zytologie), die von der Tumorepidemiologie (Leitung: Prof. Klug) am Universitäts KrebsCentrum, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden durchgeführt wurde.
In der Studie, die vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen der Ausschreibung „Forschen im Nationalen Krebsplan“ gefördert wurde, ist die Teilnahme an sowie die Qualität der Krebsvorsorge untersucht worden. Dabei wurden Unterschiede zwischen Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankt sind (Fälle), und Frauen, die nicht an Gebärmutterhalskrebs erkrankt sind (Kontrollen), analysiert. Fälle und Kontrollen wurden auch bezüglich weiterer Risikofaktoren verglichen.
Im Rahmen der aktuellen Untersuchung wurden Fälle mit Gebärmutterhalskrebs, die zwischen 2012 und 2016 diagnostiziert worden sind, mit drei bevölkerungsbasierten Kontrollen verglichen. Für jeden Fall wurde eine gleichalte gesunde Frau aus der gleichen Wohnregion aufgenommen (gematcht). Dabei wurden 217 Fälle und 652 gematchte Kontrollen analysiert. 53 Prozent der Fälle und 85,7 Prozent der Kontrollen nahmen häufig an Zervixkarzinom-Screenings teil.
„Wir konnten sehen, dass die Hälfte der Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankt sind, in den letzten drei Jahren bei einer Krebsvorsorgeuntersuchung waren“, sagt Prof. Klug. „Wir wollten daher vor allem die Teilnahme und den Einfluss untersuchen, den das opportunistische Screening auf die Entwicklung eines Zervixkarzinoms hat.“
Als Hauptergebnis konnte festgestellt werden, dass keine oder nur eine seltene Teilnahme am Screening, mehr als ein Sexualpartner sowie Übergewicht mit Gebärmutterhalskrebs assoziiert sind. Zwölf Jahre Schulbildung sowie ein monatliches Nettoeinkommen von über 3000 Euro waren dagegen schützende Einflussfaktoren.
Dennoch reduziert insbesondere die regelmäßige Teilnahme an den Krebsvorsorgeuntersuchungen das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, und zwar um 80 Prozent für invasiven Krebs sowie um 90 Prozent für weiter fortgeschrittene Tumore mit schlechterer Prognose.
„Wir wollten uns insbesondere den Risikofaktor der mangelnden Teilnahme an Gebärmutterhalskrebs-Screening ansehen“, erklärt Dr. Luana Tanaka, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Epidemiologie und Erstautorin der Publikation. „Interessant sind aber auch die Ergebnisse zum Risikofaktor Übergewicht, der sich nun als signifikant herausgestellt hat. Ein Argument könnte sein, dass übergewichtige Frauen seltener zu Untersuchungen gehen, da sie sich aufgrund ihres Körpergewichts unsicher fühlen. Es könnte aber auch sein, dass das sich die Krebsvorsorgeuntersuchung bei stark übergewichtigen Frauen schwierig gestaltet.“
Seit Januar 2020 führt Deutschland schrittweise ein organisiertes Screening-Programm ein, das das opportunistische System ersetzt und Frauen alle fünf Jahre über eine Vorsorgeuntersuchung informiert, wobei die letzte Information im Alter von 65 Jahren erfolgt.
„Die Einladungen werden die Teilnahme wahrscheinlich erhöhen, aber werden nicht allein alle Hindernisse beseitigen können, die Frauen davon abhalten, häufiger am Screening teilzunehmen“, so Dr. Tanaka. „Es müssen daher andere Strategien zur Steigerung und Aufrechterhaltung einer optimalen Teilnahme in Betracht gezogen werden, wie beispielsweise das Angebot, bei sich selbst zuhause HPV-Proben entnehmen zu können oder Frauen aktiv an das Screening zu erinnern, möglicherweise über moderne Kommunikationsmittel.“
Zur Homepage des Lehrstuhls für Epidemiologie
Zur Publikation „Impact of opportunistic screening on squamous cell and adenocarcinoma of the cervix in Germany: A population-based case-control study“ im Journal „PLOS ONE“
Kontakt:
Prof. Dr. Stefanie Klug
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56
80992 München
Telefon: 089 289 24950
E-Mail: stefanie.klug(at)tum.de
Dr. Luana Tanaka
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56
80992 München
Telefon: 089 289 24960
E-Mail: luana.tanaka(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: „PLOS ONE“/privat