Die moderne Arbeitswelt steht durch zunehmende Digitalisierung und veränderte soziale und ökologische Bedingungen vor komplexen Herausforderungen. In Anbetracht der fortschreitenden Veränderung in der Arbeitswelt und der soziodemografischen Entwicklung sollte der Erhalt der Gesundheit und der nachhaltigen Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten noch stärker in den Fokus rücken und mit in die Verantwortung der Unternehmen gelegt werden. In einer „gesunden Organisation“ werden dabei auf individueller, interpersonaler und organisationaler Ebene sowohl die Gesundheit der Beschäftigten als auch die Effizienz des Unternehmens gewährleistet und gefördert.
Die Publikation von Dr. Julian Friedrich und seiner früheren Arbeitsgruppe an der Universität Tübingen, die in Frontiers in Public Health (Section Occupational Health and Safety) erschienen ist, stellt den Zusammenhang zwischen Arbeitsfähigkeit und arbeitsbezogener Gesundheitskompetenz (auf individueller Ebene), gesundheitsorientierter Führung (auf interpersonaler Ebene) sowie Partizipationsmöglichkeiten zu Gesundheit und Stellenwert der Gesundheit (auf organisationaler Ebene) dar. Die Ergebnisse liefern Anhaltspunkte und einen Beitrag zur Schließung der Forschungslücke zu Zusammenhängen und Einflüssen der neu-entwickelten domänenspezifischen Skala zur arbeitsbezogenen Gesundheitskompetenz und Arbeitsfähigkeit. Während beispielsweise der wissens- und fähigkeitsbasierte Umgang mit arbeitsbezogenen Gesundheitsinformationen einen signifikanten Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit zeigt, kann dies für die Bereitschaft und Verantwortungsübernahme für Gesundheit am Arbeitsplatz nicht bestätigt werden.
In einem weiteren Schritt wurden Variablen einbezogen, von denen der Effekt der gefundenen Zusammenhänge abhängt. In latenten Moderationsanalysen ist der Einfluss beispielsweise der gesundheitsorientierten Führung auf interpersonaler Ebene untersucht worden. Dabei zeigt sich, dass der Effekt zwischen arbeitsbezogener Gesundheitskompetenz und Arbeitsfähigkeit durch gesundheitsorientierte Führung beeinflusst wird: Personen mit niedrigerer arbeitsbezogener Gesundheitskompetenz profitieren mehr von einer gesundheitsorientierten Führung in Bezug auf ihre eigene Arbeitsfähigkeit. Die Führungskraft ist demnach mitverantwortlich, direkt durch die Kommunikation und ihr Verhalten sowie indirekt durch die Beeinflussung von Arbeitsbedingungen, dass sich die Beschäftigten gesundheitskompetent am Arbeitsplatz verhalten und ihre Arbeitsfähigkeit erhalten können.
Auf organisationaler Ebene kann ebenfalls ein Einfluss von Partizipationsmöglichkeiten zu Gesundheit in Unternehmen auf den Zusammenhang der arbeitsbezogenen Gesundheitskompetenz und Arbeitsfähigkeit hergestellt werden: Personen mit niedrigem wissens- und fähigkeitsbasierten Umgang mit arbeitsbezogenen Gesundheitsinformationen profitieren wiederum von höheren Partizipationsmöglichkeiten zu Gesundheit am Arbeitsplatz in Bezug auf ihre Arbeitsfähigkeit. Wenn Personen allerdings eine hohe Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme zeigen und gleichzeitig niedrige Partizipationsmöglichkeiten haben, berichten diese auch eine geringere Arbeitsfähigkeit im Vergleich zu Personen mit höheren Partizipationsmöglichkeiten.
Auch wenn organisationale Bedingungen oder finanzielle Ressourcen für ein gesundes Verhalten am Arbeitsplatz bestehen, sollten die Beschäftigten partizipativ zu Gesundheit am Arbeitsplatz einbezogen werden. In adressatenorientierten Maßnahmen könnten beispielsweise gemeinsam mit der Führungskraft individuelle Lösungen zum Erhalt und zur Förderung der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten gefunden werden. Dadurch werden vorhandene Ressourcen noch effizienter genutzt, was sich wiederum langfristig auf die Unternehmensziele auswirken kann. In einer gesunden Organisation werden gemeinsam durch Partizipation und gesundheitsorientierte Führung die arbeitsbezogene Gesundheitskompetenz gesteigert und somit die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten nachhaltig gesichert.
Friedrich, J., Rupp, M., Feng, Y. S., & Sudeck, G. (2024). Occupational health literacy and work ability: a moderation analysis including interpersonal and organizational factors in healthy organizations. Frontiers in Public Health, 12, 1243138. https://doi.org/10.3389/fpubh.2024.1243138